Ein guter Roman ist Martin Prinz gelungen.
Man wünscht sich manchmal die Abschaffung des Literaturfeuilletonismus. Wenn der nämlich Zeitungsspalten und Sendeminuten mit pauschalen Gemeinplätzen füllt, statt sich mit Literatur auseinander zu setzen. Da erscheinen, mehr oder weniger zufällig, innerhalb eines Halbjahres mehrere Bücher, die nur gemeinsam haben, dass ihre Verfasser Österreicher und dass sie selbst dick sind. Der Umfang suggeriert Bedeutung, und schon ist von einem österreichischen Literaturwunder die Rede. Alles Quatsch. Keiner der an dem angeblichen Wunder Beteiligten musste erst entdeckt werden, und ob die Seitenzahl wirklich ein "opus magnum" signalisiert, sei dahingestellt.
Martin Prinz, 1973 in Lilienfeld geboren und in Wien lebend, braucht gerade 150 Seiten für seinen Roman mit dem kargen Titel "Ein Paar". Der Titel täuscht nicht. Es handelt sich tatsächlich um die Geschichte eines Paars, um eine Alltagsgeschichte zwischen Idyll und Antiidyll, zwischen E-Mail und SMS, zwischen Wien und Grado, vertraut und doch - darin bewährt sich der Erzähler - so komponiert und in Sprache gebracht, dass man ihr mit zunehmender Neugier folgt.
Ehe in Frage gestellt
In die chronologisch ablaufende ereignisarme Gegenwartshandlung unaufdringlich zunächst, fast beiläufig, dann aber immer ausführlicher eingebettet sind Fragmente der Vorgeschichte. Dazu gehört das Unglück von Lassing, von dem die Protagonistin als junge Journalistin berichtet hatte. Den einzelnen Abschnitten vorangestellt sind Mails, die diese mittlerweile Arrivierte mit Sebastian ausgetauscht hat, dem Bildhauer, dem sie zufällig begegnet ist und der ihre Ehe in Frage stellt.
Schlichte Gemüter, geschult an schlichter Literatur, schließen gerne kurz vom Autor aufs Werk. Demnach könnten nur Frauen redlich über Frauen schreiben. Wenn dem so wäre, verdienten jene Männer seit Tolstoj, Flaubert und Fontane die größte Bewunderung, denen es dennoch gelang, die Perspektive einer Frau nicht nur genau, sondern zudem mit größter Empathie zu übernehmen. Die bedeutendsten Armenier der Literatur heißen Franz Werfel und Edgar Hilsenrath. Warum sollten die begabtesten Feministen der Literatur nicht Männer sein? Es muss ja nicht so sein. Aber man sollte keine Möglichkeit ausschließen …
Einfühlung in Frau
Auch Martin Prinz denkt sich in seine Susanne hinein, als schöpfte er aus weiblicher Lebenserfahrung. Zwischen Denunziation und Anbiederung gibt es eben einen dritten Weg: den der peniblen Einfühlung. Sie lässt die Abschnitte aus Susannes Perspektive jedenfalls nicht weniger authentisch ausfallen als die dazwischengeschalteten aus männlicher Perspektive. Und Authentizität, psychologischer Realismus ist offensichtlich das poetologische Prinzip dieses Kurzromans. Er ist also daran zu messen, wie er diesem Prinzip gerecht wird.
Ein österreichisches Wunder? Seien wir bescheiden: ein guter Roman.
Ein Paar
Roman von Martin Prinz
Jung und Jung Verlag, Salzburg 2007
151 Seiten, geb., € 18,-
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