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Das Problem der Probelehrer

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In den letzten Tagen wurde die Öffentlichkeit von verschiedenen Seiten auf die traurige Lage des Nachwuchses im Mittel-schullehrberuf 'aufmerksam gemacht. Einem Stand von etwa 3000 aktiven Mittelschullehrern steht in Österreich ein Nachwuchs von 500 stellungslosen Probelehrern gegenüber, die zu einem großen Teil auch das zur Ausbildung zählende Probejahr bereits absolviert haben. Für die Masse dieser Junglehrer besteht keinerlei Aussicht, in den nächsten Jahren einen Lehrauftrag zu erhalten. Denn, gemessen an dem derzeitigen Bedarf an neuen Mittelschullehrern, würde es etwa 25 Jahre dauern, bis der letzte dieser 500 jungen Menschen einen Posten bekäme. Der Gedanke, so lange warten zu können, ist natürlich absurd, aber er zeigt in einprägsamer Weise das ganze Problem der Probelehrer, deren Zahl sich bis Ende des Schuljahrs noch auf 700 erhöhen wird.

Wie kam es zu diesem Problem? Zunächst natürlich durch die jungen Menschen selbst, die in so großer Menge dem Lehrberufe zustrebten. Allerdings muß man bedenken, daß infolge der vorangegangenen Kriegsjahre, in denen doch die Meisten nicht studieren konnten, mehrere Jahrgänge gleichzeitig die Universität besuchten. Die maßgebenden Stellen unterließen es zudem, eine Lenkung vorzunehmen oder eine Auslese zu treffen, so daß die Studenten immerhin noch mit einiger Zuversicht ihr Studium beendeten. Heute aber

ist ihnen, den fertigen Akademikern, die Pforte ins Berufsleben verschlossen. Auf Grund verschiedener Verfügungen, die finanzielle Ursachen haben, sind nämlich in den letzten Jahren weitere Schwierigkeiten hinzugekommen: das Pensionierungsalter wurde starr mit 65 Jahren festgesetzt, die im Dienste befindlichen Mittel-6chullehrcr müssen restlos in der vorgeschriebenen Stundenzahl unterrichten, sei es auch in einem anderen Fach als dem geprüften. Den jungen Leuten ist dadurch nicht nur jeder Weg zum Lehrberuf versperrt, sondern sie müssen auch noch sehen — was vielleicht das Traurigste ist —, daß man ihre Lage nicht überall gebührend würdigt.

Mitte November fand eine Ländertagung der Mittelschullehrer Österreichs statt, an der auch Vertreter der Probelehrer teilnahmen. Sie versuchten, die älteren Kollegen im Rahmen der Gewerkschaft für ihre Lage zu interessieren. Doch die Lehrersdiaft hatte ihre eigenen Sorgen, ihr ging es zunächst um eine Erhöhung der Gehälter. Die daran geknüpfte Forderung überschattete die ganze Tagung. Die Anregung der Probelehrer, das Pensionierungsalter wieder auf 60 Jahre herabzusetzen und 75 Prozent der frei werdenden Posten stellungslosen Probelehrcrn zur Verfügung zu stellen, wurde beinahe als Zumutung aufgefaßt. Von den jungen Menschen selbst verlangt man Verständnis dafür, daß die älteren Kollegen noch länger im Dienste bleiben wollen, weil sie von der Pension nicht leben könnten, man fordert sie auf, einzusehen, daß auch die ehemaligen Minderbelasteten eine Verdienstmöglichkeit brauchten, weil sie oft für eine große Familie zu sorgen haben, man zögert aber, sich mit den Nöten des Nachwuchses auseinanderzusetzen. Die Probelehrer sind heute nicht mehr so jung wie vor dem Kriege, als man mit 21 oder 22 Jahren von der Universität kam und recht gut noch von der Tasche der Eltern leben konnte. Ihr Durchschnittsalter beträgt heute 27 bis 28 Jahre, sehr viele von ihnen haben bereits Familie. Ihre älteren Kollegen kämen immerhin in den Genuß einer Pension, sie aber stehen — und oft nicht allein — vor dem Nichts.

Alle diese Argumente müssen ins Treffen geführt werden, damit sich verantwortliche Leute mit dem Problem der Probelehrer beschäftigen. Man kann die Dinge nicht so weitertreiben lassen, denn der Nachwuchs eines Standes steht in seiner Gesamtheit vor der Verelendung.

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