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Hochschule für Entwicklungshelfer

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DINGDEN IN WESTFALEN mit seinen viereinhalbtausend Einwohnern ist ein Dorf wie viele andere in der deutschen Bundesrepublik. Die Gegend altes Bauernland. Hier ernährte man sich daher von Ackerbau und Viehzucht. Viele pendeln aber auch in die benachbarten Städte, um in der Industrie ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Trotz dieser Alltäglichkeit eines Dorfes, wie es auf den ersten Blick scheinen will, ist der Name Dingden (in Westfalen) zu einem festen Begriff im deutschen Sprachraum geworden, seit die Katholische Landjugend dort im Jahr 1959 den Klausenhof, ihre zentrale Bildungsstätte und Landjugendakademde, in Betrieb genommen hat.

Eines zeichnet den Klausenhof gegenüber allen anderen Bildungseinrichtungen der Landjugend und des Landvolkes aus: er ist zugleich Ausbildungsstätte für junge Menschen, deren Weg in die Entwicklungsländer Asiens, Afrikas und Südamerikas führt. — Hier erhielten auch die mehr als fünfzig Entwicklungshelfer der Katholischen Landjugend Österreichs jene theoretische und praktische Vorbereitung, die unerläßlich ist für einen Einsatz in jenen fernen Ländern.

Die Ausbildung ist dementsprechend vielseitig, theoretisch und praktisch, und dauert in der Regel sechs bis acht Monate. Voraussetzung für die Aufnahme in einen Lehrgang ist die Abschlußprüfung in einem handwerklichen oder technischen Beruf, wenigstens jedoch die Gesellenprüfung. Denn wer selbst nichts kann, kann andere nichts lehren!

Vielseitigkeit des einzelnen soll in diesem vorbereitenden Institut erworben oder vervollkommnet werden. Jeder Lehrgangsteilnehmer muß denn auch, gleich welchen Beruf er hat, mithelfen, ein Haus zu erbauen. Er wird einer Allround-Ausbildung in verschiedenen Lehrwerkstätten unterzogen. Er arbeitet- in der Schlosserei, Schreinerei, Zimmerei, der Elektro- und Kfz-Werkstätte. Er muß sich Grundkenntnisse in der Landwirtschaft, im Bau einfacher Wege und Brücken, in der Anlage von Ent- beziehungsweise Bewässerungsanlagen im Roden und Be-forsten aneignen.

EIN ENTWICKLUNGSHELFER MUSS VIEL, ja, ich möchte fast sagen alles können. Er bedarf aber kein Arbeitspferd sein, das nur stur wegarbeitet, was man ihm vorlegt. Er muß selbständig denken, planen und schließlich auch handeln können, sich fremden Verhältnissen anpassen, größere Zusammenhänge überschauen.

Dazu soll die theoretische Ausbildung befähigen: Man befaßt sich deshalb unter der Leitung von acht Dozenten mit den politischen, wirtschaftlichen, geschichtlichen und kulturellen Fragen der Entwicklungshilfe und der Länder, denen man Hilfe anbieten will.

So muß der Helfer, der einen solchen Ausbdldungskurs in Deutschlands einziger Landjugendakademie für Entwicklungshilfe besucht, mit den Grundzügen der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts vertraut sein. Er muß wissen, was Gandhi, Lawrence, Cecil und Lenin wollten und taten, um Sukarno, Nasser Nkrumah oder Mao Tse-tung einigermaßen verstehen zu können.

„INDIEN MUSS HUNGERN“, sagte der verstorbene Ministerpräsident Shastri einmal in einem Interview zu einem amerikanischen Journalisten, „nicht zuletzt deshalb, weil die heiligen Kühe und Affen ein Sechstel der Volksnahrung auffressen!“

Dies beweist wiederum, daß wirtschaftliche Probleme in den Entwicklungsländern oft durch religiöse Vorstellungen und Verhaltensweisen hervorgerufen werden. Wer also wirtschaftlich helfen will, muß zunächst den anderen Menschen auch in seiner religiösen Einstellung verstehen. Deshalb werden künftige Helfer in fremde Religionen eingeführt. Will man aber Wert und Irrtümer des religiösen Suchens der Menschheit wirklich tiefer erfassen, ist wiederum eine gründliche Kenntnis des eigenen Glaubens unersetzlich. Darum diskutieren die jungen Menschen das Wesen der Religion, die Existenz Gottes, die Beweise für die Gottheit Christi und das Wesen der Kirche. Dieses Wissen ist vor jeder praktischen Hilfe erste Notwendigkeit!

„Do you speak English?“ — „Parlez-vous Francais?“ — „Habla Uisted espanol?“ — „O senhor fala pontuges?“ — Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch. Eine von diesen Sprachen muß ein Entwicklungshelfer ebenfalls lernen, denn sie sind die Verkehrssprachen in Afrika, Asien und Lateinamerika. Die sprachliche Ausbildung beginnt im Institut in Westfalen und wird dann in England, Frankreich, Spanien bzw. Portugal vervollkommnet.

DEN KLAUSENHOF, die Ausbildungsstätte für Entwicklungshelfer der Katholischen Landjugend aller deutschsprachigen Länder, haben seit ihrer Gründung schon viele junge Menschen besucht. Versehen mit dem notwendigen Rüstzeug, verließen sie ihn für jeweils drei Jahre in Richtung Afrika, Südamerika und Asien.

In diesem Haus fundierter Wissensvermittlung, das noch jedem, der es besuchte, zur „zweiten Heimat“ wurde, werden junge Männer, die sich entschlossen haben, ihre jugendliche Kraft, ihr Können und ihren Glauben für drei Jahre in einem Land in Übersee einzusetzen, zur klaren Sicht' gegenüber jenen erzogen, denen sie einmal helfen wollen.

Sie wissen daher schon vor ihrem Einsatz, daß Menschen anderer Hautfarbe nicht Kuriositäten aus fremden Erdteilen sind, die man neugierig betrachtet, belächelt oder gar beklatscht ...!

Nein, sie wissen, daß sie es auch „drüben mit Menschen zu tun haben werden, die, durch hartes Leben und reiche (wenn auch andere) Lebenserfahrung gereift, die gleichen Kümmernisse und Sargen, die gleichen Fehler, Fähigkeiten und Begabungen haben wie die Bewohner unserer Breitegrade“.

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SIE WISSEN, DASS SIE MENSCHEN erwarten, denen sie helfen können — wenn sie diese so ernst nehmen wie sich selbst! ,

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