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Reparieren, statt vorzeitig wegzuwerfen

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Was zu Großmutters Zeiten selbstverständlich war, ist heute aus ökologischen Gründen modern: Abfallvermeidung durch Reparatur.

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Was zu Großmutters Zeiten selbstverständlich war, ist heute aus ökologischen Gründen modern: Abfallvermeidung durch Reparatur.

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Es ist ein alter, schöner Brauch: Wo man repariert, dort kauft man auch.” Seit ein paar Monaten hängt ein Schild mit diesem etwas holprigen Reim in der Auslage meines Schusters. Den Laden hat er von seinem Vater geerbt, der wieder von seinem Vater und so weiter. Doch seit in der kleinen Gemeinde südlich von Salzburg ein Schuhgroßhandel eröffnet hat, verwaist das kleine, feine Sortiment meines Schusters zusehends.

Nur im Hinterzimmer rattert unablässig die alte Nähmaschine: Die ”modische Diskontware des neuen Nachbarn ist zwar wohlfeil, aber vergänglich. Mein Schuster repariert gern und gut, leben kann er davon jedoch nicht: „Geld verdient man nur mehr, wenn man möglichst viel verkauft, was möglichst schnell kaputt wird”, flickt er der Wegwerf gesell-schaft am Leder.

40 Millionen Tonnen Müll werden in Osterreich jährlich produziert. Zugegeben: Schuhe dürften davon nur einen relativ geringen Anteil ausmachen. Der Großteil, etwa zwei Drittel, ist Bauschutt. Da kann man nur sagen, liebe Bauindustrie, weniger Bauschutt, bitte schön. Immerhin zweieinhalb Millionen Tonnen Abfall aber stammen aus Haushalten. Das kommt den Schuhen schon näher. Oder der HiFi-Anlage, dem Kleiderschrank, dem Fahrrad ... Alles Dinge, die nicht ewig halten. Die, wenn sie defekt sind, oft der Müllabfuhr überantwortet werden. Dinge, die meist mit hohem Material- und Energieaufwand hergestellt wurden und leider immer öfter nur für kurze Zeit ihren Dienst tun, um anschließend lange Zeit die Umwelt zu belasten.

Die vielbeschworene Mülltrennung kann da nur mehr Schadensbegrenzung sein. Das Schlagwort der Moderne heißt Abfallvermeidung. Und trifft sich genau hier mit einem Begriff, der an Großmutters Zeiten erinnert: Beparatur. Die gestopften Socken, das fachärztlich versorgte Schaukelpferd: das war gelebter Umweltschutz. Heute hieße so etwas Bes-sourcenschonung.

Reparieren wird zum Luxus

Doch was hilft es, wenn Reparieren zum Luxus wird, weil Arbeitszeit - die eigene oder die von Professionisten -immer teurer wird? Wenn es immer schwieriger wird, fachkundige Werkstätten, wie die meines Schusters, überhaupt zu finden?

Die Gemeinde Wien hat nun einen Weg beschritten, der Konsumenten die Entscheidung zur Reparatur erleichtern soll. ImAuftrag der Magistratsabteilung für Abfallwirtschaft (MA 48) hat das Österreichische Ökologie-Institut den „Wiener Reparaturführer” erstellt - und ist damit internationaler Vorreiter und Vorbild für andere Germeinden in Österreich. Erstmals wurden, vorläufig für fünf Produktgruppen, alle Adressen und wissenswerten Daten vollständig aufgelistet. Sie sollen laufend aktualisiert werden.

Wer Schuhe, Möbel, Haushaltsgeräte, Uhren oder Fahrräder reparieren lassen will, findet in der Gratis-Broschüre 800 Werkstätten mit Preisen, Öffnungszeiten und wichtigen Hinweisen. Und nicht nur das, denn Abfallvermeidung beginnt schon vor dem Kauf: Informationen über die Langlebigkeit und Beparierfähigkeit der Produkte sollen den Weg auf die Deponie verzögern. Eine Auswahl: Es mag banal klingen, ist aber das Um und Auf ökologischenKonsumverhal-tens, die Frage „Brauche ich das überhaupt?”.

Nur allzu oft landet etwas (Geschenke!) bald auf dem Müll, weil niemand mehr etwas damit anzufangen weiß. Vor allem bei technischen Produkten ist darauf zu achten, ob nicht mit einfachen und damit weniger störungsanfälligen Konstruktionen das Auslangen gefunden werden kann. Oft stellen Miete und Leasing eine Variante zum Kauf dar. Benützen mehrere Menschen ein und dasselbe Produkt (z.B. Schi), wird Material gespart. Dauerhafte und langlebige Ausführung können am Material ermessen werden (Vollholz, stabile Metallkonstruktionen, etc.), manchmal helfen Fachberatung oder Fachmagazine weiter.

Hochwertige Materialien lassen sich auch nach jahrelangem Gebrauch reparieren. Verlangen Sie beim Einkauf eine Garantie, daß Ersatzteile auch nach mehreren Jahren erhältlich sind und dem Handle* bzw. den Reparaturwerkstätten ohne lange Wartezeiten zur Verfügung stehen! Dies gilt auch für die zur Reparatur erforderlichen technischen Unterlagen. Übrigens: Reparatur schont nicht nur die Umwelt. Sie fördert die regionale Wertschöpfung und sichert Arbeitsplätze.

Zum Beispiel den meines Schusters. Der produziert fürs gleiche Geld weniger Mist als der Diskonter ums Eck, bei dem - gemessen am Umsatz

- viel weniger Menschen beschäftigt sind. Und so freundlich „Grüß Gott, lange nicht mehr gesehen,” sagen können's dort auch nicht. Der Autor ist

Mitarbeiter des Österreichischen Ökologie-Instituts und freier Journalist. Der Wiener Reparaturführer ist unter der Nummer 01J546 48 (Mo-Fr 8 18h)kostenlos erhältlich.

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