Angesagte Weihnachten

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Vom Christkind, vom "Feiern wie früher" - und was das bedeuten könnte.

Und die Sterne

Selten ist hierzulande die Verbindung geworden zwischen künstlerischer Begabung und geistlicher Berufung:

Die burgenländische Ordensfrau Elfriede Ettl,

die Ende November im 90. Lebensjahr verstorben ist,

war aber ein lebendiges Zeugnis dafür. Im Burgenland

ehrte man sie in den letzten Jahren als eine

der bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten des Landes.

Nicht zuletzt aus der "Schule des Sehens" von

Oskar Kokoschka kommend, galt Elfriede Ettl

auch als malende Chronistin des pannonischen Raumes:

Ihre Zyklen über die Kroaten, die "Heanzn" - die

deutschsprachigen Burgenländer -, ihre eigenwilligen

Landschafts- und Ortsbilder haben sie über die Grenzen

des Landes hinaus bekannt gemacht.

Aquarell - das war das künstlerische Transportmittel,

mit dem Elfriede Ettl meisterhaft umzugehen wusste:

"Das Aquarell darf nicht müde wirken,

nicht umständlich sein, nicht zu Tode geritten",

hat sie einmal geschrieben.

Nebenstehendes Bild "Und die Sterne" (1993)

stammt aus dem Zyklus "Sonnengesang des

heiligen Franz von Assisi" und gehört zu ihren

selteneren "religiösen" Bildern. "Oft werde ich gefragt",

hat Elfriede Ettl einmal gemeint, "warum ich

als Ordensfrau nicht ausgeprägt religiöse Kunst schaffe.

Gott hat mir den Blick für seine Schöpfung,

für seine schöne Welt gegeben. Für mich ist das in weiterem Sinne auch religiöse Kunst..." ofri

Artig posierte TV-Star Arabella Kiesbauer vor etlichen Wochen schon auf dem News-Cover: die Hände hübsch gefaltet, mit Flügeln auf dem Rücken und gar himmlisch gewandet - der Blick zwar leicht lasziv, doch alles in allem ganz engelgleiches Christkind. Die Botschaft dieser Ausgabe: Weihnachten "wie früher" ist angesagt. In Manier der Infoillustrierten gab es dazu eine einschlägige Geschichte mit "Prominenten", und weil das "Magazin der 90er" (Eigendefinition) auch in den Nullern immer nah an seinen Lesern ist, durften die entsprechenden Tipps nicht fehlen: "Advent-Zauber. Die schönsten Orte für die schönste Zeit des Jahres". Kurz: Top-Advent, Top-Weihnachten.

Medien wie News sind ideologisch unverdächtig - sie kennen kaum Kriterien neben dem ökonomischen Erfolg. Gerade deswegen fungieren sie, darin der Werbung ähnlich, als Seismograph gesellschaftlicher Entwicklungen. Ist also die durch den Weihnachtsmann symbolisierte Kommerzialisierung des Festes, das "kapitalistisch-amerikanische" X-mas endgültig out, das zarte "Klingelingeling" nach Jahren des polternden "Hohoho" wieder im Kommen? Ansätze in diese Richtung sind jedenfalls seit einigen Jahren schon nicht zu übersehen. Was aber könnte sich hinter dieser Sehnsucht nach Weihnachten "wie früher" verbergen?

Das Besondere dieses Festes rührt wohl daher, dass es mit Inhalten verbunden wird, die so gar nicht in unsere Zeit zu passen scheinen und umso mehr als Desiderate empfunden werden: innerer wie äußerer Friede; Zur-Ruhe-Kommen; eine Form von Schlichtheit im Sinne einer Reduktion, d. h. eines Zurück-Führens auf Wesentliches; Familie - also das Leben in verlässlichen Bindungen; zusammengefasst: die Vorstellung, das Leben könnte auch ganz anders laufen. Anders als an jenen rund 360 Tagen, in denen das "spaßorientierte Marktsubjekt', alleinstehend und flexibel, nicht partnerschaftsbehindert oder kinderverpflichtet, spontan und pflegefrei, arbeitswütig und freizeitaktiv, glamourös und anstandslocker" - so hat es Manfred Prisching kürzlich in der Kleinen Zeitung beschrieben - im Mittelpunkt steht.

Bezeichnenderweise sind die mit Weihnachten verbundenen oder auf das Fest projizierten Wünsche solche, die sich mit den Bedürfnissen von Kindern decken, mit dem, was für Kinder wirklich wichtig ist. Das freilich hat nicht unbedingt mit dem zu tun, was eine vorgeblich kinderfreundliche Gesellschaft für ihren Nachwuchs bereithält. Wohl ist es wahr, dass Kinder heute anders wahr- und ernst genommen werden, als noch vor 20, 30 Jahren: Man merkt es an Spielplätzen, eigens für Kinder abgestimmten Freizeit- und Kulturangeboten etc. Das alles ist gut, aber es ist nicht das Wesentliche - und bisweilen erweist es sich sogar als kontraproduktiv, weil Kinder mit der sogenannten Multioptionsgesellschaft noch schlechter als Erwachsene umgehen können.

Die Umwertung von Weihnachten bedeutet die Herausforderung, die eigene Wertehierarchie zu hinterfragen, darüber nachzudenken, was wir in den Mittelpunkt stellen, wie es Helmut Schüller (s. S. 10) formuliert. Und man kann und soll, daran anknüpfend, mit dem neuen Wiener Superintendenten Hansjörg Lein (ebenfalls S. 10) das Fest als Anfrage an den Stellenwert von Kindern in Gesellschaft (und Kirchen) interpretieren.

Meinen die "Promis" das, wenn sie von "Weihnachten wie früher" reden - und nach den Feiertagen doch sicherheitshalber wieder zum "Leben wie immer" übergehen? Wenn dann Arabella Kiesbauer Flügel und Glitzergewand wieder abgelegt hat? Wenn an die Stelle der "schönsten Plätze für die schönste Zeit des Jahres" wieder Wellness-Oasen, Gourmet-Tempel und Shopping-Malls getreten sind? Wohl kaum, jedenfalls nicht ausdrücklich. Doch eine Ahnung von "Weihnachten" schlummert wohl in vielen.

Wache Kirchen, Christinnen und Christen, werden solche Ahnungen zu entschlüsseln und behutsam zu begleiten versuchen - ohne Naivität, ohne Vereinnahmungstendenzen, aber auch ohne kulturpessimistische Lamentatio über Oberflächlichkeit, Konsumrausch und den Verlust des Ursprünglichen.

rudolf.mitloehner@furche.at

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