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Eine Wiener Malerin will von Palm Beach aus die USA erobern. Verena Rotterdam liebt es grell.

Ihr Vater ist schon dort, der Lehrer sowieso, nun wagt es Verena Rotterdam auch: Sie will in die Privatsammlungen und Museen der USA. Ziel der Schülerin Friedensreich Hundertwassers ist es, von Palm Beach aus Fuß zu fassen. Ihr Vater Paul Rotterdam hat es bereits geschafft, er lebt in New York. In wenigen Wochen werden auch die Werke der Tochter den Weg über den Ozean antreten. Von Floridas flippigster Stadt aus will die Schöpferin schrill-bunter Werke den internationalen Durchbruch schaffen. "Sonne, Meer, lebensfrohe Menschen, Amerika, Geld - und auch Kultur" zählt sie die Argumente auf, mit denen sie sich ausgerechnet Florida als Ausgangspunkt ausgesucht hat.

Im Mittelpunkt steht ein über fünf Meter langes Werk, das alles andere als eine grelle Neuheit ist: Das Letzte Abendmahl von Leonardo da Vinci. Schon kurz nach der Vollendung 1498 wurde es mit dem Attribut "miracoloso" belegt, Jahrhunderte später hat ihm Andy Warhol auch in der Pop Art einen Platz gesichert. Das Motiv hatte der regelmäßige Kirchgänger und Anhänger der byzantinisch-katholischen Kirche dem Gebetbuch seiner Mutter entnommen.

"Ich habe mir gedacht, warum soll ich das nicht auch in meinem Stil weitermalen und vollenden", erklärt Verena Rotterdam kühn. Auf rund fünf mal zwei Metern Leinwand hat die gebürtige Wienerin da Vincis Motiv ins 21. Jahrhundert eingeflogen. Angekommen ist ein Werk, das nur auf den ersten Blick dem Klischee typischer Abendmahl-Gemälde entspricht, obwohl es der Vorlage ähnelt. Auch hier sind die Jünger in Dreiergruppen an einer langen Tafel aufgereiht, in ihrer Mitte der Gottessohn mit dem Kelch und einem Laib Brot. Die Apostel debattieren gestenreich, wenden sich weg, verdächtigen, streiten ab, besänftigen. Zur Rechten des Heilands haben sie sich zusammengerauft und suchen den Verräter. Zu seiner Linken reden drei Hände auf ihn ein, eine mit drohendem Zeigefinger, eine besänftigend ausgestreckt. Die drei Verbleibenden debattieren ratlos über Jesu dunkle Vorahnung.

Was Rotterdam komponiert, sind die Gesichtsausdrücke der Apostel. Jeder spricht Bände. Mit ihrer schnörkellosen, plakativen Art hat sie eine erstaunliche Fülle von Emotionen in das Werk gebracht, das sie gern in einem Museum oder einer Kirche Floridas hängen sehen würde. Drei Monate lang ging sie für ihr "Bild der Menschlichkeit" täglich zehn Stunden lang über ein "Nagelbrett der Gefühle", sagt sie, "weil ich eben nicht mehr davon losgekommen bin". Das alles nur, um glücklich zu sein, wenn das Bild fertig ist. Als Sinnbild hinter dem Gemälde stehen für sie Kommunikation und Gemeinschaft. Die Menschen sitzen am Tisch, reden miteinander - und dabei geht es, wie der Betrachter feststellt, keineswegs immer harmonisch zu.

Religiöse Motive bei dieser Malerin, das verwundert zunächst. Der Großteil ihres Gesamtwerks sieht aus wie ein Spaziergang durch das Tropenhaus des Schönbrunner Tiergartens. Aras und Tukane mit leuchtenden Schnäbeln und farbenfrohem Federkleid sind in Acryl auf Leinwand gebannt. Auch für Pferdesport hat sie eine Schwäche. Ein Lippizzaner bäumt sich vor dem Publikum auf, auf einem anderen Bild schießt ein Pferd über ein Hindernis, den Reiter hat es bereits aus dem Sattel gehoben.

Auch Männerkörper malt sie mit Vorliebe. Dabei spielt sie mit Farben und Schatten, zeigt unverhohlen Muskeln und perfekten Körperbau. Immerhin hat ihr das bereits einen Auftritt in einer TV-Erotiksendung eingebracht. Und dann ausgerechnet Christliches? Im Werkverzeichnis stehen und knien zwei nackte Männer auf der linken Seite einer Gottesmutter mit dem Titel "Königin des Friedens" gegenüber. Eine gewagte Mischung, aber für die unkonventionelle Malerin kein Problem. "Die Menschen verkennen, dass man einerseits das Abendmahl malt und andererseits einen Akt - dabei hängt das sehr zusammen.

Die Religion ist der Mensch", erklärt die Katholikin. Keineswegs sei es also abwegig, den Menschen so zu malen, wie er auf die Welt gekommen ist. Zwar hängt die Österreicherin inzwischen in vielen Sammlungen des Landes. "Im Land des schwarz-grau-braunen Alltags", wie sie ihre Heimat sieht, hat sie allerdings fast ein Jahrzehnt gebraucht, ihre Kunst dem Volk näherzubringen. Generell stünden die Österreicher Kunst reserviert gegenüber, meint sie. In anderen europäischen Ländern seien sie mehr kunstbesessen. "Dass Kunst zum Alltag und zum Leben dazugehört, verstehen die Österreicher ein bisserl schwer; man muss sie erst dazu bringen, dass die Malerei ebenso wie die Musik zum Leben gehört und der Mensch das braucht", erklärt sie.

Um ihren Landsleuten das Bunte näher zu bringen, hat sie ausgefallene Ideen. Zum Beispiel würde ihr eine Ausstellung ihrer farbenprächtigen Regenbogentukane im Stephansdom gefallen. Überhaupt haben es ihr Kirchen angetan. Ein großer Traum von ihr ist es zum Beispiel, ein Gotteshaus auszumalen. In Russland hatte sie kürzlich einen Auftrag für das Portal einer katholischen Kirche an der Angel. In letzter Minute allerdings haben die Ausschreibenden das Mosaik eines anderen Künstlers vorgezogen. "Etwas für eine Kirche zu tun, ist etwas, wodurch man verewigt ist - und wir alle wollen uns doch in irgendeiner Form verewigen", erklärt sie, die in Kürze ein Kind erwartet. "Nur", so bedauert sie, "gibt es leider die Sponsoren - wie früher die Familie Medici oder die Kirche selbst - nicht mehr". Ein anderer Traum: Für Film oder Theater Bühnenbilder zu schaffen. Eine Vorliebe für bestimmte Schriftsteller oder Werke hat sie nicht. Doch für einen Klassiker wie Shakespeare mit buntem, poppigem Hintergrund würde sie sofort die Farben anrühren. "Gerade diese Extreme finde ich irrsinnig gut", gerät sie ins Schwärmen. Auch Richard Wagner gehört zu ihren Bühnen-Lieblingen. Seine Musik ist ein fester Bestandteil ihres Künstlerlebens. Viele ihrer grell leuchtenden Bilder sind bei seinen mystischen Tönen entstanden.

Dank Wagner grell Buntes? "Vielleicht weil man das Dunkle im Hintergrund hat, schwenkt man ins Positive über", sinniert sie. Wie sich das zusammenfügt, kann Rotterdam selbst nicht so genau erläutern: "Das ist ganz merkwürdig. Vielleicht bin ich das Medium, nehme das eine auf und setze es ganz anders wieder um."

Das großformatige Abendmahl für den Esstisch im Eigenheim kann für 80.000 Euro erstanden werden. Wem dies zu teuer ist, der könnte seine Küche mit etwas Praktischem zieren. Ein Hersteller von Küchengeräten gab ihr kürzlich den Auftrag, einen Kühlschrank zu entwerfen und sich dabei aus ihren grellen Farbtöpfen zu bedienen.

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