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Terrassenhäuser

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Das Interesse für Terrassenhäuser, das heißt für abgestufte Wohngebäude, bei denen jeder Wohnung das Flachdach der darunterliegenden

Wohnung als Freiraum dient, wird geradezu Mode; wie bei allen derartigen Errungenschaften muß man sich klarmachen, daß ihre Anwendung keine Garantie für Qualität ist. Es handelt sich bei diesem verstärkten Interesse aber nicht um einen Zufall, sondern um den Ausdruck einer Entwicklung des Architekturdenkens in den letzten Jahr- ,zehntpn. , į

Der klassische Typ: Scheibenhaus

Eine der stärksten Polemiken der modernen Architektur richtete sich

gegen die Architektur der Fassaden — und doch führte gerade die Bauform, die am wenigsten Gefahr läuft,

zur Fassade zu werden — eben das Terrassenhaus —, bis heute ein Schattendasein.

Die klassische Wohnbaudoktrin hat Walter Gropius 1931 in dem Artikel „Flach-, Mittel- oder Hochbau?“ formuliert, wo er die Zwischenlösung verwarf und die beiden Extreme konsequent gegenüberstellte. Der Flachbau, das Einfami- lien(reihen)haus hatte den Vorteil der Verbundenheit mit der Natur, der Möglichkeit, eigenen Boden zu pflegen, den Nachteil längeren Anmarschweges und vermehrter Hausarbeit. Alles in allem war er für kinderreiche, seßhafte Familien das Geeignete. Das Wohnhochhaus dagegen vereinigte eine große Zahl kleiner Wohnungen, die mit hochwertigen Diensten versorgt werden konnten und leichten Mietenwechsel erlaubten: die Wohnform für Kinderlose, Alleinstehende, Berufstätige, die ja kein Interesse an Gartenpflege haben.

Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurde diese Doktrin in Frage gestellt, und zwar einerseits durch die Erkenntnis, daß die Familie im Lauf der Jahre verschiedene Anforderungen an die Wohnung stellte, anderseits durch die Tatsache, daß die Freizügigkeit in der Wohnungswahl nicht so groß ist, diesen Anforderungen durch Wohnungswechsel nachkommen zu können. Es ergab sich das Bedürfnis nach einer Bebauungsform, die genügend dicht ist, um in zentralen Stadtgebieten angewendet werden zu können und doch die Möglichkeit eines eigenen Gartens bietet.

Solange man aber nur an „Wohnhäuser“ dachte, war diese Bebauungsform nicht zu finden. Das Terrassenhaus nämlich wird ja nach unten zu immer breiter beziehungsweise tiefer, und schon nach wenigen Geschossen ergibt sich im Inneren eine Zone, die nicht mehr natürlich belichtet werden kann und deshalb für Woh,nräume ungeeignet .1st.,

Großstadthaus mit mehreren Zwecken

Erst wenn man auf die räumliche Trennung der klassischen Funktionen (Wohnen, Arbeiten, Erholung, Verkehr) verzichtete, konnte man diese Bebauungsform zulassen, die innerhalb der Wohnzone Raum für die drei anderen Funktionen bietet: für nichtstörende Betriebe, für Säle, Kinos und Bäder, für Parkraum und Verkehrswege.

Im luftleeren Raum

Schon die Forderungen der zwanziger Jahre, von denen weiter oben

die Rede war, blieben Theorie und setzten sich in Europa erst nach dem zweiten Weltkrieg durch — bei uns überhaupt erst in Einzelfällen. Die Gemeinde Wien baut bis in die jüngste Zeit eben jenen mittelhohen

Wohnhaustyp ohne Aufzug, den Gropius verwarf und der alle Nachteile. in sich vereinigt. Die praktischen Schwierigkeiten neuer Bebauungsformen liegen nicht im Technischen oder Finanziellen, sondern — da der Wohnbau zum größten Teil aus öffentlichen Mitteln gespeist wird — in der zögernden Einsicht der verantwortlichen Politiker und Beamten.

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