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DAS RINGEN UM ENGLAND. Das deutsch-britische Verhältnis. Die öffentliche Meinung 1933 bis 1939. Tragödie zweier Völker. Von Dietrich Aigner. München, Bechtle-Verlag, 1969. 444 Seiten. DM 32.—.

Es gibt den Kommunismus heute noch, weil seine Lehre nicht stimmt. Nach der kommunistischen Lehre des historischen Materialismus gibt es nur materielle Kräfte — wer anders denkt, wird als Idealist verworfen. Die Menschen handeln nur nach materiellen Klasseninteressen. Da es im Interesse des Adels und des Bürgertums lag, die Diktatur des Proletariats zu vernichten, mußte Hitler — den Zeitabschnitt August 1939 bis Juni 1941 ausgenommen — alle konservativen Kräfte, mußte er Adel und Bürgertum zu Verbündeten haben. Zumal die adelige und bürgerliche Oberschicht Englands durfte sich der Antikominterngroßmacht nicht entgegenstellen. Und da nicht sein kann, was nicht sein darf, lehrt die marxistische Geschichte heute noch, daß die Kräfte der Reaktion und der Bourgeoisie mit Hitler systematisch kollaboriert haben. Umgestülpter Bolschewik der er war, glaubte auch Hitler selbst, daß es so sein müßte; lange Zeit rechnete er damit, daß er England für seinen Hakenkreuzzug gen Ostland gewinnen würde. Warum hat es sich nicht so zugetragen? Warum haben Engländer aller Stände ihr Blut vergossen wie Wasser, damit die Sowjetunion ein Imperium von Wismar bis Varna bekommt, während das Britische Reich zerfällt? Weil ihre Ideale sie dazu gezwungen haben; — weder Marxisten noch Liberale, noch Konservative konnten mit Hitler zusammengehen. Es war ausgeschlossen, den Bestand des Weltreichs durch einen Mörder garantieren zu lassen.

Wer nicht auf sowjetische Schulbücher beschränkt ist, wußte das alles zwar seit jeher. Es ist aber schön und gut, daß dieses Thema nun mit deutscher Gründlichkeit behandelt worden ist. Man kann sich noch einen „ungekürzten Aramerkungsteil“ bestellen. Lernt der Leser dabei etwas Neues? Gewiß! Der Autor beschreibt gründlichst, was die Gegner des „Appeasement“ oder der „Verständigung“ alles machten um Englands öffentliche Meinung gegen Hitler und sein Reich einzustellen. Dabei kommt viel Häßliches zum Vorschein; nicht nur die sowjetische Einflußnahme und deren systematische Tarnung, sondern auch andere Täuschungsmanöver und die verschiedensten journalistischen Kunststücke. Sensation und Verhetzung sind ja für eine Zeitschrift meist einträglicher als Friedensschalmeien... Diese dunklen Partien der antinazistischen Agitation werden so drastisch behandelt, der Wunsch Hitlers nach einer Verständigung wird so eindringlich geschildert, der jüdische Anteil an der Agitation gegen ihn wird so eingehend besprochen, daß sich manchmal der Verdacht regt, hier läge ein Buch vor mit der sattsam bekannten These: Ach was, alle sind schuld am Krieg, alle haben ihn gewollt, ohne jüdische Kriegshetze mußte der Krieg gar nicht sein... Da täte man dem Autor aber unrecht. Nicht weniger deutlich, nicht weniger ekelhaft ist nämlich das Bild, das er von den Goebbelschen Pressemethoden gibt; an dem verbrecherischen Charakter der Politik Hitlers läßt er nicht zweifeln. Und so mag das umfangreiche Werk mit dem barock-langatmigen Titel zumal bei der Widerlegung marxistischer Schablonen noch gute Dienste tun. Kort Schwarzenberg

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