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Die allzeit Getreue

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Wiener Neustadt sei eine der bedeutendsten unter den Städten der Barbaren, diese Ansicht des'Bonfinius, Historiograph und Lobredner des genialen Matthias Corvinus, stimmte durchaus überein mit jener des Aeneas Sylvius Piccolo-mini, der als Pius II. Petri Thron bestieg und einer der exzellentesten Köpfe seiner Zeit war. Wenn dieser weitgereiste, als Ratgeber Friedrichs III. mit den Verhältnissen wohlvertraute Mann Wiener Neustadt mit den Gärten der Hesperiden vergleicht, dann mag das übertrieben scheinen, traf jedoch für die alte Kaiserstadt durchaus zu, wie Wendelin Boeheim überzeugend nachgewiesen hat. Seine Regesten zur Neustädter Kunstgeschichte lieferten den exakten Beweis, daß Wiener Neustadt im 15. und 16. Jahrhundert ein Kunstzentrum ersten Ranges war. Maler, Bildhauer, Baumeister, Steinmetzen, Gold- und Waffenschmiede hatte Friedrich, dieser merkwürdigste aller Habsburger, von dessen utopischen Träumen noch heute die seltsame Wappenwand der Neustädter Burg kündet, m sich versammelt. Gleich Türmen einer versunkenen Stadt ragen die Reste jener Zeit in unsere Gegenwart. Noch stehen die Bauwerke mit den vieldeutigen Vokalen AEIOU gezeichnet, noch läßt uns der Corvinusbecher die unerreichte Kunst heimischer Goldschmiede ahnen, mag auch der Zauber seines Emailschmuckes der Zeit zum Opfer gefallen sein. Noch erschüttert uns die Tiefe mittelalterlicher Gläubigkeit, die in den Apostelfiguren eines Lorenz Luchsperger, in dem Schmerzensmanne eines Thomas Strayff verkörpert ist. Eine Gläubigkeit, deren Verlust durch die Betrachtung des Wiener-Neustädter Altars, welchen Friedrich den Zisterziensern zu Neustadt gewidmet hat, sichtbar wird und der schmerzhafter ist, als wir wahrhaben wollen.

Die Frage nach den Ursachen dieses Aufstieges der Stadt, welcher, ungeachtet der ständigen Geldnöte Friedrichs, vor allem auch ein wirtschaftlicher war, liegt so nahe wie jene nach den Lirsachen ihres folgenden Abstieges. Die Antwort ergibt sich, wenn man erkennt, daß Wiener Neustadt wie kaum eine andere Stadt von dem Wechselspiel zweier Kräfte: Krieg auf der einen, Handel und Gewerbe auf der anderen Seite, beeinflußt wurde. Rein strategische Gründe, deren Leitmotiv die Abwehr drohender Angriffe durch die Oedenburger Pforte war, bewogen die Babenberger, eine Stadt an einer Stelle künstlich ins Leben zu rufen, welche vordem keine nennenswerten natürlichen Ansätze für die Entstehung einer solchen aufwies. Das Lösegeld eines Richard Löwenherz kam ihnen für die Errichtung der Befestigung mehr als gelegen, enthob sie jedoch nicht der Sorge, dem Werk durch die Schaffung einer ausreichenden wirtschaftlichen Basis die notwendige Beständigkeit zu verleihen. Es zeugt für die nachahmenswerte Staats- und wirtschaftspolitische Einsicht der babenbergischen wie der habsburgischen Herrscher, daß sie durch die Gewährung weitreichender Privilegien und die Verlegung der Handelswege, welche vordem das innere Steinfeld gemieden hatten, diese Basis schufen. Solange eine planvolle Förderung von Handel und Gewerbe die Gegenkräfte des Krieges im Zaume hielt, befand sich die Stadt in aufstrebender Entwicklung;. Mit Friedrichs Tod trat eine abrupte Umkehrung des Kräfteverhältnisses ein: unter seinem Nachfolger Maximilian I. gewannen die Kräfte des Krieges die Oberhand, und dies sollte durch Jahrhunderte, denen Türkenkriege und Dreißigjähriger Krieg ihre unauslöschlichen Male aufgeprägt haben, so bleiben. Wiener Neustadt sank in die Bedeutungslosigkeit einer kleinen Provinzstadt, die lediglich durch einige wenige Vorrechte eine gewisse Vorzugsstellung gegenüber ähnlichen Städten genoß.

Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts, mit Beginn des technischen Zeitalters, trat eine neuerliche Umkehr ein. Die Stadt wurde eine der bedeutendsten Industriestädte und wichtiger Eisenbahnknotenpunkt desi alten Habsburger-reiches. Eine Industriestadt, deren Spannweite von einer hochentwickelten Leichtindustrie bis zur großen Schwerindustrie reichte. Hier standen Samt- und Seidenfabriken, hier stand die Wiege der österreichischen Fliegerei. Die Verlagerung des Gewichtes auf die Schwer- und Rüstungsindustrie wirkte sich nicht 2um dauernden Vorteil der Stadt aus, so daß abermals der Krieg jäh die Entwicklung in die Gegenrichtung drängte. Mit dem ersten Weltkrieg endete die Rolle der Stadt als Industriezentrum, und die kurze Scheinblüte einer Zwischenkriegszeit führte nun zu dem noch tieferen Absturz des zweiten Weltkrieges.

Wenn nun die Meinung vertreten wird, ein dritter Aufstieg Wiener Neustadts sei nicht nur wünschenswert, sondern möglich, so wird dieses Ziel im wesentlichen mit alten Mitteln zu erreichen sein: Förderung der Industrie von Seiten der Stadt und des Staates einerseits, Aufbau neuer Handelswege anderseits; letzteres zum Beispiel gleichbedeutend mit der Schaffung eines Wiener-Neustädter Flughafens. Seit längerer Zeit zielen die Bemühungen weiter Kreise der Stadt dahin, diesen durchaus nicht neuen Erkenntnissen einen Weg zu bahnen. Die seit 1949 alljährlich stattfindenden Wiener-Neustädter Ausstellungen, die ein eindrucksvolles Bild der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Niederösterreichs vermitteln, dienen nicht zuletzt auch diesem Zwecke. Es kann daher am Schlüsse dieser Betrachtung nur der Wunsch ausgesprochen werden, daß der Erfolg die Bemühungen krönen möge und Wiener Neustadt wieder jenen Platz im wirtschaftlichen und kulturellen Leben unseres Vaterlandes erreicht, den es auf Grund seiner fast 800jährigen glanzvollen Geschichte verdient.

NEUE WEGE DES EINZELHANDELS. Die Gesellschafterin der „PAKO“-Handels- und Verpackungsgesellschaft m. b. H, die Wiener-Neustädter Lebens-mittel-Großhandelsfirma Erich Lichtenwörther. veranstaltet im Rahmen der diesjährigen Wiener-Neustädter Ausstellung eine Schau neuzeitlicher Verkaufsgeräte, um dem Kleinhändler neue Wege im Konkurrenzkampfe gegen Großfilialbetriebe und Konsumvereine beschreiten zu helfen.

Die „PAKO“, eine Vereinigung namhafter fortschrittlicher Lebensmittel-Großhändler Oesterreichsj welche zum Zwecke der Erstarkung des Kleinhandels gegründet wurde, bringt diesen „A I 1 s i c h t-M us t erladen“, welcher in Deutschland mit Erfolg in verkaufstechnischer Hinsicht geprüft wurde, nun auch nach Oesterreich.

Gleichzeitig — mit der Zeit gehend — wird die „ASO-Allsichtverpackung“ gezeigt werden; diese Cellophanpackung wird dem Kaufmann Zeit sparen helfen und den Verbraucher stärker an den eingesessenen Kaufmann binden, weil jener die Gewißheit hat, seine gewählten Lebensmittel in hygienischer Weise verpackt zu erhalten. Zudem kann der Käufer auf den ersten Blick sofort erkennen, welche Ware er kauft und in welcher äußerlichen Beschaffenheit sich diese befindet. Der „Allsicht“-Laden — wie der Name schon sagt, „alles sehen“ — wird dem Kaufmann seine Arbeit erleichtern, zeit- und kostensparend wirken, seiner Kunde das Einkaufen vereinfachen und dieser die Scheu vor den „in den Schubläden versteckten Waren überwinden helfen Die „Allsicht-Packung“ wird der Hausfrau auch im Vor-ratsschrank vermöge der besseren Uebersicht zur täglichen Freude werden.

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