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Dienst an der ganzen Kirche

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Der Orden der Predigerbrüder wurde von Dominikus von Cale- ruega in Spanien gegründet; seine Gemeinschaft sollte auf monastischer Grundlage durch das Apostolat des Wortes der ganzen Kirche dienen. Heute erscheint diese Aufgabe eines Ordens in der Kirche selbstverständlich zu sein. Aber zu Beginn des 13. Jahrhunderts war sie eine unerhörte Neuerung.

Das südfranzösische Predigtwerk

Südfrankreich war seit der Mitte des 12. Jahrhunderts politisch und wirtschaftlich in Gärung geraten. Diese Unruhen wurden ein geeigneter Nährboden für neue religiöse Vorstellungen. Willige Aufnahme fanden im Lande die zahlreichen Wanderprediger; ihre Predigt richtete sich nicht nur gegen die Kirche, sondern weitete sich zu einer Kritik an den sozialen Zuständen der Gesellschaft überhaupt. Zahlreiche Anhänger fanden die Schüler des Lyoner Kaufmannes Petrus Waldes — die Waldenser —•, die die Kirche nach dem Vorbild der Urgemeinde erneuern wollten. Die Albigenser gar gründeten, beeinflußt von uralten und schroff weltfeindlichen Vorstellungen, eine „Kirche der Reinen“ und begegneten den Katholiken mit Haß und Verachtung. Besorgt wegen des Erfolges der Irrgläubigen beauftragen die Päpste eine Anzahl von Zisterziensermönchen mit der Glaubenspredigt in Südfrankreich. Mit Eifer und Mut begannen die Mönche ihre Aufgabe.

Im Juni 1206 begegnete zu Montpellier Dominikus den enttäuschten päpstlichen Predigern. Er entwickelte ihnen ein neues Programm für ihre Tätigkeit: Predigt des Evangeliums durch das Wort, aber auch durch das Beispiel eines apostolischen Lebens. Wie die Jünger des Herrn sollten sie in kleinen Gruppen, mittellos und zu Fuß durch Städte und Dörfer ziehen. Dominikus selber stellte sich in den Dienst der apostolischen Predigt; auch als der Krieg gegen die Albigenser das Land verheerte, führte er dieses Leben weiter. Neue Gefährten sammelten sich um ihn, und Bischof Fulko von Toulouse gewann die Gemeinschaft als Prediger für seine Diözese. Die Vorschriften des Evangeliums für die Jünger galten in der Gemeinschaft von Predigern als Lebensregel.

In Südfrankreich begegnete Dominikus der gefährdeten Kirche. Er begriff ihre Schwäche als Anruf. In den Jahren 1206 bis 1215 bildeten sich zwei Leitbilder für den werdenden Predigerorden heraus: Wanderpredigt in der Nachfolge der armen Apostel und Zusammenschluß dieser Prediger zu einer Gruppe: einem Orden.

Die Kanonikergemeinschaft von St. Roman in Toulouse

Die Begegnung des Ordensgründers mit den zur Kirche in Widerspruch geratenen Wanderpredigern war für die Entstehung des Predigerordens von großer Bedeu tung. Aber das Ideal des apostolischen Lebens war auch in der Kirche selber lebendig. Vor allem sah man in der Augustinusregel einen Spiegel des apostolischen Lebens. Seit dem Ende des 11. Jahrhunderts übte sie auf die reformwilligen Kräfte einen gewaltigen Einfluß aus. Priester, die bis dahin an Stadt- und Landkirchen ein mehr oder weniger privates Leben führten, schlossen sich zu Gemeinschaften zusammen und befolgten die Augustinusregel. Die Gemeinschaft der Augustinerchorherren breitete sich in kurzer Zeit über Europa aus. Dem Namen nach unterschieden sich diese Chorherrn oder Kanoniker zwar von den älteren Klöstern, in denen die Benediktusregel befolgt wurde; aber in Wirklichkeit hielten auch jene sich an die Gebräuche, die von diesen in einer jahrhundertelangen Tradition erprobt worden waren. Mit den monastischen Gebräuchen ergoß sich die monastische Frömmigkeit in die neuen Gemeinschaften. Weitgehend glichen sich die Prämonstratenser in ihrer äußeren Lebensführung und geistigen Einstellung den älteren Klöstern an. Die Gewohnheiten der Prämonstratenser und die Augustinusregel wählten Dominikus und seine Gefährten zum Richtbild ihrer Gemeinschaft.

Bischof Fulko schenkte 1216 Dominikus und seinen Gefährten in Toulouse die St.-Roman-Kapelle; an dieser Kirche führten die Brüder ihr gemeinsames Leben. Ein weite rer und wichtiger Grundzug des sich bildenden Predigerordens fand seine Gestalt: In der Schule der

Augustinusregel lernte er Zucht und Ordnung. Die Regel als Schule und Zucht zu verstehen, war dem christlichen Mönchtum selbstverständlich. In diese Tradition reihte sich Dominikus ein. Dieses Ideal einer monastischen Gemeinschaft wurde auch später beibehalten.

Papst Honorius III. bestätigte am 22. Dezember 1216 die Kanonikergemeinschaft an der St.-Roman- Kapelle zu Toulouse. Man kann diese Urkunde zwar nicht als Bestätigung des Predigerordens an- sehen, von großer Wichtigkeit bleibt sie dennoch. Man darf sie als das Grunddokument der geistigen Ausrichtung des Ordens bezeichnen: Das Apostolat auszuüben auf der Grundlage eines monastisch-kon- templativen Lebensstiles.

Der neue Orden

Dem zwölften Jahrhundert kommt in der Geistesgeschichte des Abendlandes eine Bedeutung zu, die jener der Reformation in nichts nachsteht. Eines der wichtigsten Ergebnisse, die sich in den denkerischen Bemühungen jener Zeit schließlich verfestigte, war die Vorstellung von der einen Kirche, zu der diie gesamte abendländische Christenheit gehörte. Wirtschaftliche und soziale Umschichtungen förderten das neue Gemeinschaftsbewußtsein; die Besinnung auf das Evangelium, die sich im allgemeinen Predigtanspruch der Wanderprediger niederschlug, trat hinzu. Schließlich begriffen die Päpste die Zeichen der Zeit und stellten sich getreu ihrer Sendung in den Dienst dieses Aufbruches.

Denn wenn Dominikus auch die Lebensform der Augustinerchorherren für seine eigene Gemeinschaft wählte, ein Augustinerchorherrenkloster wollte er daraus nicht machen. Ein solches verstand seinen Dienst in der Kirche als Dienst an der eigenen Klosterkirche. Dominikus verstand seine Aufgabe aber nicht als „Gottesdienst“ an der St.-Roman-Kapelle; er wollte durch die Predigt überall in der Welt der ganzen Kirche dienen. Dieses neuartige Ordensziel, für das erst zu Beginn des 13. Jahrhunderts die Zeit reif geworden war, unterstützten jetzt die Päpste. Honorius III. redete in einer Urkunde vom 21. Jänner 1217 die Toulousaner Gesellschaft bereits als Predigerbrüder an; „zur Vergebung der Sünden“ trug er ihnen die Last der Wortverkündigung auf. Von 1217 bis 1221 arbeiteten die ersten Brüder zusammen mit Dominikus an der weiteren Ausgestaltung des Ordens. 1221 — im Todesjahr des Stifters — war dieser in seinen wesentlichen Zügen ausgebildet. Der Historiker Albert Hauck hat die Verfassung des Predigerordens als das Vollkommenste bezeichnet, was das Mittel- alter in Hinsicht auf die Verfassungsbildung klösterlicher Verbände hervorgebracht hat. Wichtiger aber als die wichtige Ausgeglichenheit der Gesetzgebung ist doch die glückliche Synthese, die Dominikus gefunden hat: er verband die alte und fruchtbare klösterliche Tradition mit der lebendigen evangelischen Bewegung, wie sie die Wanderprediger verkörperten und die in der neuen städtischen Bevölkerung des 12. und 13. Jahrhunderts so großen Widerhall fand.

Durch diese Verbindung, die erst im 13. Jahrhundert möglich wurde, konnte der Orden der Predigerbrüder entstehen und seine hervorragenden seelsorglichen und wissenschaftlichen Leistungen in den Dienst der ganzen Kirche des Mittelalters stellen.

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