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Ein Narr als Weltenrichter

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Als Friedrich Dürrenmatt sich mit „Romulus der Große“ 1948 entschieden der Komödie zuwandte, tat er es mit der Begründung, der Mensch von heute verdiene die Tragödie nicht mehr. „Uns kommt nur noch die Komödie bei“ in einer Welt, die „ebenso zur Groteske geführt“ hat „wie zur Atombombe“. Die eine Antwort auf diese Welt ist die Verzweiflung; aber Dürrenmatt läßt auch die andere zu, das „Nichtverzweifeln“, den „Entschluß, die Welt zu bestehen …“

Zunächst macht sich dieser Kaiser Romulus vor seinem Hof zum bizarren Narren, züchtet Hühner, hängt dem Wohlleben an. Aber in der Steigerung durch die ersten drei Akte hindurch wird allmählich der Ernst seiner Haltung und der ganze Umfang seiner Überlegungen offenbar: In Wahrheit ein wissend reifer Mann, hat er den römischen Kaiserthron nur bestiegen, um das morschgewordene Imperium, dessen Macht sich auf Unrecht und Gewalt gründete, durch Untätigkeit zu liquidieren und unter dem Ansturm der Germanen mit ihm unterzugehen. Indem er sich zeitlebens gegen nichts als die Anwendung der Gewalt wehrte, verdient er — will Dürrenmatt sagen — das Beiwort „der Große“. Weil es ihm gelang, das Heroische aus einer geschichtlichen Stunde zu verbannen, in der es nichts mehr zu suchen hatte. Die Spiegelung in der Ironie und im Grotesken wird vollkommen, wenn sich der siegreiche Germanenfürst Odoaker bei seinem Erscheinen als ebenso leidenschaftlicher Geflügelzüchter wie Romulus entpuppt, und beide Herrscher die Übereinstimmung ihrer Anschauungen von Welt und Menschen, Ruhe und Völkergliick in aller Freundschaft feststellen. Statt in den Heldentod, muß der Konkursvollstrecker des schuldbelasteten römischen Imperiums zur Strafe in Pension gehen. Am liebsten hätte ihn Odoaker weiterregieren lassen, denn er hält von der germanischen Zukunft nicht mehr als Romulus von der römischen Vergangenheit.

Als Dürrenmatts Komödie vor mehr als dreizehn Jahren im Theater in der Josefstadt aufgeführt wurde, wußten Kritik und Publikum mit dem zwischen „kabarettistischem Ulk und dramatischem Theater“ schwankenden Stück wenig anzufangen. (Es wurde nach vier Aufführungen abgesetzt.) Dürrenmatt tut nichts dazu, denn wie er selbst bekennt, „schlei chen sich Mißverständnisse ein, Indem man verzweifelt im Hühnerstall meiner Dramen nach dem Ei der Erklärung sucht, das zu legen ich mich beharrlich weigere“. Nimmt man den lebhaften Schlußbeifall als Maßstab, so scheint es im Volkstheater, unter der Spielleitung von Leon Epp gelungen zu sein, das Publikum mit dem Stück, das in seiner neuen Fassung von 1957 gegeben wurde, gut zu unterhalten. Dabei hatten Regie und Darsteller keine leichte Aufgabe, denn das Stück ist wortreich, umfaßt ebenso Plattheiten („Wo die Hose anfängt, hört die Kultur auf“) wie wunderschöne lyrische Stellen (etwa der Hymnus auf das römische Reich), führt von Pointe zu Pointe und wird so auch immer wieder aufgehalten. Im Chargenbereich wurde zwar recht unterschiedlich agiert, doch gab es mehrere überzeugende Leistungen in den größeren Rollen. Von den zahlreichen Mitwirkenden seien nur einige hervorgehoben: Heinrich Trimbur (Romulus), Albert Rolant (Amilian), Hans Rüdgers (Hosenfabrikant Rupf), Joseph Hendrichs (Schauspieler), Hanns Krasnitzer (Odoaker), Helmi Mareich (Julia), Paola Loew (Rea), Das ansprechende Bühnenbild stammte von Gustav M anker.

Shakespeares Lustspiel „Ende gut, alles gut“ ist ein zwiespältiges Werk. Eine dramatisierte Novelle nach Boccaccio, scheint es ein spät überarbeitetes Frühwerk und hat nichts von der seligen Heiterkeit der Meisterlustspiele Shakespeares an sich. Aber es gibt da zwei ergiebigere Rollen: Helena, die liebreizende Arzttochter, die den Spuren des aus Standeshochmut stets abweisenden jungen Grafen überallhin folgt und schließlich seine Liebe erlistet; und dann der liederliche Schwätzer Parolles. Die Düpierung und anschließende Entlarvung des feigen Maulhelden trägt einige Szenen voll kräftiger Theaterlustigkeit. In der Inszenierung des Volkstheaters für die Außenbezirke, die sichtlich unter der Raumnot der kleinen Bühne litt, kam unter der Regie von Wolf Dietrich die an sich fragwürdige Intrigenhandlung nur holprig voran. Von den Darstellern gefiel am besten Gudrun Erfurth als innige Helena. Die übrigen Darsteller boten guten Durchschnitt; von ihnen war Parolles mit Hans Wecker leider fehlbesetzt. Freundlicher Beifall.

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