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National, deutschnational, oder?
Efne der staunenswerten Innenpolitischen Erscheinungen des österreichischen Jubiläumsjahres 1965 war, daß im zwanzigsten Lebensjahr dieser Zweiten Republik eine Frage lum Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen wurde, die man eigentlich für ein Problem längst bewältigter Vergangenheit hätte halten müssen. Die Frage, die durch die bekannten Äußerungen eines Herrn an der Wiener Welthandelshochschule im Frühjahr 1965 auf einmal höchst aktuell wurde, war: Wie steht der Österreicher zu Österreich. Es war ja wohl nichts Neues für unser Land, daß national bei uns lange Zeit nicht österreichisch-national bedeutete, sondern deutsch-national. Die Tragik der Ersten Republik wurzelten zum Teil darin, daß große Teile im sozialistischen und konservativen Lager die Existenzfähigkeit der aus den Trümmern eines Großreiches übriggebliebenen Republik Österreich bezweifelten, dieses Gebilde als eigenständiges Staatswesen nicht akzeptieren konnten und wollten.
Die geschichtliche Erfahrung zerstörte den Traum vom „Anschluß“ bei den führenden Politikern der beiden großen Parteien und bei der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung. In Schützengräben, in der Gefangenschaft und in Konzentrationslagern dämmerte die Erkenntnis, was man verloren hatte. Ein Österreichbewußtsein entstand, als es offiziell kein Österreich mehr gab. Das war das neue tragende Fundament der Zweiten Republik: Österreich war zumindest im Raum der offiziellen Politik, die von 90 Prozent der Bevölkerung unterstützt wurde, als zu bejahende staatliche Gemeinschaft außer Streit gestellt. Aber geschichtliche Erfahrung, welche die Generation unserer Väter am eigenen Leib bitter verspüren mußte, kann verblassen. Eine neue Generation wächst heran, die ernsthaft noch nie mit dem Problem konfrontiert worden war: „Österreich oder Deutschland?“ Gott sei Dank! könnte man sagen, wurde die Jugend nach 1945 nicht mehr in eine so völlig falsche Fragestellung getrieben. Aber man muß auch sagen leider, denn wenn etwas selbstverständlich wird, setzt man sich zuwenig geistig damit auseinander. Das mag mit eine Erklärung sein, warum eine Diskussion so heiß und erbittert geführt wird, die man sachlich und wohlfundiert wahrscheinlich mit viel weniger Ressentiments und emotioneller Haltung bestreiten könnte. Immer tritt dort Lautstärke oder gar Gewalt in Aktion, wo Argumente fehlen.
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