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Reitsport in Österreich

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Österreich, die alte „Hochburg der Reiterei“ in ihrer klassischen Form, der „Hohen Schule“, und ihrer sportlichen Form, der „dressurmäßigen“ Durchbildung Ides „Campagne“, das ist Leistungs-oder Turnierpferdes, kämpft zum zweitenmal in einem Menschenalter — einen schweren Kampf um Aufbau und Erhaltung der alten Geltung!

i Der Reitsport in Österreich, in'unserem modernen turniermäßigen Sinne verstanden, uhd nur von ihm soll hier die Rede sein, da der. Rennsport und die Spanische Hofreitschule Sonderkapitel bilden, umfaßt alle Leistungs- und Eignungsprüfungen für Warmblutpferde im Lande und entstand bei uns sowohl aus der militärischen G e b r a u c h s r e i t e r e i und der Anre-• gung der spanischen S c h u 1 e, als auch unter der des schon früher bestandenen Herrensports auf der Rennbahn. • Waren es im alten großen Österreich -durch Jahrhunderte fast ausschließlich der Hof und die Hofgesellschaft sowie vor allem die Armee gewesen, welche die edle Reitkunst betrieben, förderten und ihren hohen Ruf begründet hatten, so entwickelte sich in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts — mit dem Beginn der sportlichen Bewegung überhaupt — aus den Wettbewerben zu Pferde der Armee ziemlich rasch der allgemeine Reitsport, wie wir ihn heute kennen (mit seinen verschiedene Zweigen: Dressur, Jagdspringen, Military usw.), — Die gemeinsame Basis, die Elementarschule jedes Reitpferdes — die Dressur —, in allen ihren Abstufungen, wurde seit jeher in Österreich besonders gepflegt und galt als führend.

Die sehr beachtliche Höhe unseres Sports in der Zeit vor 1914 findet ihre Erklärung in der Struktur des damaligen Reiches. Waren doch die besten Zuchtgebiete und Reiterländer im Donauraum — Ungarn, Böhmen, Galizien — Teile des Ganzen und floß so ein ständiger Nachwuchs bester Pferde und Reiter jährlich nach der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien, um sich hier bei den historischen „Preis reiten“ und anderen berühmten Veranstaltungen mit den Besten des In- und Auslandes zu messen.

In der Förderung durch Staat und Krone sowie insbesondere durch das damalige Militär-Reitlehrinstitut zu Wien, der reiterlichen Zentralstelle der Armee, sowie der österreichischen Campagne-Reitergesellschaft war dem Sport eine vorzügliche Entwicklung in stetigem Fortschreiten garantiert.

Der erste Weltkrieg und sein Ende hat diese Blüte vernichtet.

Mit dem Fortfall des Hofes und des großen Heeres sowie der bisherigen Hauptgebiete der Zucht waren in der arm gewordenen Republik, die hauptsächlichsten Kraftquellen und Stützen des Sportes geschwunden und ^r drohte in Her latenten Wirtschaftskrise der Folgezeit praktisch fast gänzlich zu verschwinden;

Und dennoch ist es — in fast 20 Jahre langer 'Aufbauarbeit' möglich geworden, unseren Reitsport in entsprechend verkleinertem Umfang, jedoch qualitativ hochstehend,' zu erhalten. Es sei hier nur an den erstmaligen Erfolg Österreichs in der großen Dressurprüfung auf der Reiter-Olympiade L93t6 erinnert.

i Der österreichischen Renn- und Campagne-Reitergeselrsehafc, dem Militärreitinstitut Schloßhof des damalige Bundesheeres sowie der Wiener Reitervereinigung und der österreichischen Turn- und Sportfront war es gelungen, das. kleine Land auf verhältnismäßig, hohem . sportlichem Niveau zu . erhalten, was großen interationalen Turniere zu Wien und Laxenburg, die bis zu zwölf Nationen Beteiligung aufweisen konnten, wiederhol); bewiesen haben.

In den nunmehr hinter uns liegenden sieben Jahren ist all das abermals zunichte geworden, und zwar schlimmer als jemals zuvor. Doch, wir wollen ja hier nicht kla-t gen, sondern wieder beginnen und daher zu den Schwierigkeiten Stellung nehmen:

Die Hauptsache, das Pferdemate-r i a 1, ist — wenn man davon absieht, von Deutschland auf dem Wiedergutmachungswege Ersatz für die seit Frühjahr 1938 widerrechtlich ins Reich verschleppten Pferde zu fordern — sagut wie verloren, doch wäre andererseits ein gewisser Ausgleich dafür in geeigneten Liquidationspferden der ehemaligen Wehrmacht sowie insbesondere in den zahlreiche edlen Pferden der unzähligen Flüchtlingstrecks aus halb Osteuropa zu finden, die das Kriegsende auf unserem Gebiet getroffen hat.

Aus diesen vielen Pferden wäre das Nötige für den Aufbau des Sports wohl zu finden, wenngleich man dabei berücksichtigen . muß, daß die Verwirrung der Umbruchszeit, die vielfach ganz ungeklärten Besitzverhältnisse, mangelnde Pflege, Unter-bringung usw., insbesondere aber das mangelnde Futter, den Bestand seither schon stark gelichtet haben. Und damit sind wir auch schon am Kernpunkt des Problems angelangt. Die F u 11 e r fr a g e ist “heute das Alpha und Omega des Aufbaues im Pferdesport überhaupt.

Pferde, Reiter, Stallungen, Bahnen, Personal,, Geräte usw., dies alles wäre noch fürs erste zu lösen, auch hochwertige Lehrkräfte stünden zur Verfügung, sofern nur die Sicherstellung der nötigsten Futterbestände für die nächste Zeit gewährleistet wäre.

Wir hoffen, daß durch die verständnisvolle Hilfe der alliierten Besatzungstruppen, unter denen sich ja auch viele ambitionierte „Pferdeleute“ befinden, sowie durch die Öffnung der Demarkationslinien diese Kardinalfrage sich vielleicht doch' noch wird meistern lassen..

In der nun wieder kommenden Zeit des völkerverbindenden Sports kann man nur hoffen und wünschen, daß es gelingen möge, auch im Reitsport, der so vielseitig sportliche, züchterische, wirtschaftliche und gesellige Beziehungen zwischen den Nationen knüpft und fördert, wieder einen Anfang zu finden, bei dem auch unser kleines Land, eingedenk seines hohen sportlichen Erbes, nicht fehlen darf und will.

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