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Schlagworte und was dahinter steht...

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Im Tagesstreit der Meinungen über den Wert eines Heeres werden oft Schlagworte gebraucht und, ich möchte mich nichj: enthalten, darüber einige Worte zu sagen. Ich bin mir dabei wohl bewußt, daß gegen Schlagworte der menschliche Geist vergebens kämpft. Vielleicht sind sie notwendig, da alle die Schlagworte nicht entbehren können, welche nicht in der Lage sind, ihre eigenen Gedanken zu denken. Auf militärischem Gebiet kann das Schlagwort tödlich wirken, weil dem militärischen Schlagwort Tausende von Menschen geopfert wurden.

„Militarismus“ ist im politischen Tageskampf kaum mehr ein Schlagwort, sondern fast schon ein Schimpfwort. Es kann beinhalten: „Feldwebelton“, „Kasernengeist“, „fluchwürdiges altes Regime“ usw. Die meisten, die es gebrauchen, verstehen etwas anderes darunter. Es ist eben nichts als ein Schlagwort. Im allgemeinen wird unter Militarismus das Vorherrschen der Militärgewalt im staatlichen Leben verstanden.

„Offizierskaste.“ Seit es Volksheere gibt und seit der Offiziersstand jedem Staatsbürger zugänglich war, ist die sogenannte „Offizierskaste“ unmöglich. In Oesterreich gab es schon seit vielen Jahrzehnten keine Offizierskaste mehr. In der Vorkriegszeit, also vor 1914, gab es noch einige Reiterregimenter, deren Offiziere sich aus Adelskreisen ergänzten und die manchmal den Umgang mit ihren Leuten nicht recht verstanden. Dies war ja auch begreiflich, da sich die Menschen der Reiterregimenter aus Gegenden ergänzten, die von der westlichen Kultur nur leise angerührt waren. Von einer Offizierskaste im eigentlichen Sinne war keine Spur vorhanden. Dies beweist die Einheirat vieler Offiziere in alle möglichen Volksschichten.

Fast schon zum Schlagwort ist der Begriff „K r i e g s e r f a h r u n g“ geworden.

Es gibt heute gewisse Kreise, die für sich die Kriegserfahrung als Monopol in Anspruch nehmen. Man sollte ja meinen, daß ein Offizier, der jahrelang an der Front war, ein kriegserfahrener Offizier sei.

Der Verstorbene General Seeckt war darüber anderer Meinung. Er ließ alle Offiziere, die erst nach Beginn des ersten Weltkrieges ernannt worden waren, einen neunmonatigen Kurs absolvieren. Ein besonders hervorragender Lehrer in diesem Kurse sagte' einmal zu den Teilnehmern: „Meine Herren, wenn Sie sich so oft auf Ihre Kriegserfahrung berufen, dann kann ich darüber nur lächeln. Denn das, was Sie Erfahrungen nennen, sind keine Erfahrungen, sondern Erlebnisse. Ob daraus einmal Erfahrungen werden, steht noch dahin. Jedenfalls bedarf es dazu gerade derjenigen Grundkenntnisse, die Sie sich trotz Ihrer Bewährung vor dem Feinde nicht haben erwerben können und die wir Aelteren Ihnen hiermit vermitteln wollen.“

Das Erlebnis ist eben noch keine Erfahrung. Erst durch Nachdenken kann aus Erlebnis und Wissen die Erkenntnis und mit ihr die Erfahrung kommen.

Ein großer Teil der heute lebenden Offiziere, welche den letzten Krieg mitgemacht haben, konnten ihre Erlebnisse nur in einem verhältnismäßig begrenzten Abschnitt mitmachen, und daraus kann man auch nur begrenzte Lehren ziehen.

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