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Um Hofburg und Rathaus

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KAISERHAUS, STAATSMÄNNER UND POLITIKER. Aufzeichnungen des k. k. Statthalters Erich Graf Klelmansegg. Mit einer Einleitung von Walter Goldinger. Wien, Verlag für Geschichte und Politik, 1966. 430 Selten, 32 Abb. S 224.—.

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KAISERHAUS, STAATSMÄNNER UND POLITIKER. Aufzeichnungen des k. k. Statthalters Erich Graf Klelmansegg. Mit einer Einleitung von Walter Goldinger. Wien, Verlag für Geschichte und Politik, 1966. 430 Selten, 32 Abb. S 224.—.

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Gewiß, diese Erinnerungen aus der Friedenszeit liest ein jeder mit Vergnügen. Aber auch dem geschichtlichen Interesse ist gedient. Sind doch diese Aufzeichnungen, schon des Verfassers wegen, von ideengeschichtlicher Bedeutung. Kielmansegg gehörte nämlich jener weifischen Emigration an, die nach der Wende von 1866 in Österreich eine Zuflucht, teils eine neue Heimat fand. Der Größte aus diesem Kreis, Onno Klopp, wurde nun Katholik, Großösterreicher, Lehrer des Thronfolgers Franz Ferdinand. Anders Kielmansegg! Er blieb evangelisch und lebte sich durchaus in die Anschauungen der deutschliberalen Bürokratie ein, der er durch seine Berufswahl angehörte. Von diesem Standpunkt aus beurteilt er die Zeitgenossen. Das höchste Lob spendet er den „Whigs“, den hochadeligen Liberalen aus dem Hause Auersperg; streng, ja hämisch spricht er von allem, was irgendwie „klerikal“ aussieht — vom Thronfolger und dessen frommem Vater, vom ganzen „Belvedere“, von der jungen Christlichsozialen Partei und ihrem Führer. Irgendwie kommt auch der Unterschied innerhalb des Adels, diesseits und jenseits der Mainlinie, zur Geltung. Kielmansegg gehört jenem norddeutschen Lehensadel an, den Börries von Münchhausen besungen hat: „Adel ist Adel des Fürsten und nicht des Landes.“ Staunen und Ärgernis empfindet Kielmansegg daher, als er die Ansichten eines Franz Thun kennenlernt. Der fühlt eher wie die böhmischen Granden der Vorzeit — „Du bist unser König, wir sind deine Herren“ —, fühlt sich, als Statthalter, jedenfalls nicht als bürokratischer Untergebener eines Ministers, sondern eben als des Monarchen Statthalter... Das Buch ist reich an solchen gesellschaftsgeschichtlichen Bildchen.

Am wenigsten sympathisch kommt dabei der Verfasser selbst weg: Kielmansegg erscheint als mißgünstiger,boshafter Beobachter. Mit gutem Recht haben sich die Herausgeber mit der Frage befaßt, wie weit solche allzu persönlichen Aufzeichnungen herauszugeben sind; die Einleitung enthält daher einen löblichen Hinweis darauf, daß diese Papiere nicht als durchaus zuverlässige Quelle behandelt werden dürfen. Diese Vorbehalte indes vermindern keineswegs das Interesse an der plastischen, manchmal hoch amüsanten Darstellung des öffentlichen und privaten Lebens in der Friedenszeit. Und natürlich ist es ein Genuß, das Deutsch eines damaligen hohen Staatswürdenträgers zu lesen, und man macht sich traurige Gedanken über die heutigen Schicksale der deutschen Sprache ... Auch lernt der heutige Leser viel über den rechtsstaatlichen Charakter des cisleitha-nischen Staatswesens — allerdings auch über die verschiedenen Elemente der Protektion. — Eine Kleinigkeit darf nicht ungerügt bleiben. Bekanntlich fordern Fachleute der Buchausstattung, daß Bildnisse einwärts schauen. Aber deshalb Photos umdrehen — so daß Männer links zugeknöpft sind —, das geht doch nicht an! — Ohne Zweifel werden die Erinnerungen noch gute Dienste für die Geschichte Österreichs, zumal auch der Christlichsozialen Richtung leisten.

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