Kefalonia, von Schlangen beschützte Insel

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Kirchenfeste, Heiligenverehrung, Aberglaube und Naturschutz - all das findet der Besucher auf einer kleinen Insel an der Westküste Griechenlands.

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Kirchenfeste, Heiligenverehrung, Aberglaube und Naturschutz - all das findet der Besucher auf einer kleinen Insel an der Westküste Griechenlands.

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Der August ist ein starker Monat für die Bewohner von Kefalonia. Die größte der Ionischen Inseln ist gut besucht von Feriengästen - vor allem die Engländer lieben sie - aber lange nicht so überrannt wie das berühmtere Korfu und das benachbarte Zakynthos. Touristisch gesehen ist Kefalonia eine noch eher unbekannte Größe.

Die Insel gilt als wohlhabend, der Lebensstandard ist höher als anderswo in Hellas. "Es ist das St. Moritz von Griechenland" meint Marlyse Moshopoulus, Schweizerin mit griechischem Ehemann und seit 17 Jahren dort ansässig.

Ein schicksalhafter Tag war der 12. August 1953. Am späten Vormittag brach plötzlich ein verheerendes Erdbeben aus. Die Zerstörungen auf Kefalonia und den Nachbarinseln Ithaka und Zakynthos waren enorm. Mit internationaler Hilfe wurden die Ortschaften wieder aufgebaut, modern und funktional. So auch die Inselhauptstadt Argostoli. Auf den ersten Blick irritierend, erscheint es ohne das vertraute griechische Ambiente. Aber bald kann man dem weltoffenen gesellschaftlichen Klima hier seine positiven Seiten abgewinnen. Einen Einblick in das kefalonische Leben vor der Erdbebenkatastrophe bekommt man im sehenswerten Volkskundemuseum in Argostoli. Wunderbarerweise ist der Glockenturm aus dem 16. Jh. im Kloster Agios Gerassimos nicht eingestürzt.

In der fruchtbaren Hochebene von Omalon steht das größte und wichtigste Kloster Kefalonias, das auch der bedeutendste Wallfahrtsort ist. In einem kostbaren silbernen Schrein in der alten Klosterkirche sind die mumifizierten Gebeine des Inselheiligen Gerassimos aufbewahrt, täglich Ziel vieler Pilger. Namen und Gebetswunsch werden auf einen Zettel geschrieben. Am Sarg sind zwei Klappen geöffnet, damit die Pilger die Gebeine des Heiligen küssen dürfen, während ihre Fürbitten verlesen werden. San Gerassimo ist sehr populär als Schutzpatron, es ist der beliebteste männliche Vorname auf der Insel.

Das Kloster ist schon zu einer Attraktion für Touristen geworden. Der Platz vor dem Glockenturm gleicht zeitweise einem Busbahnhof der örtlichen Reiseveranstalter. Die Nonnen sind äußerst geduldig mit den Besuchern, die während der Anbetung des Heiligen in die kleine Kirche drängen. Aber sie sind darüber verstimmt, daß für das Anzünden der selbstgezogenen Kerzen nicht gebührend gespendet wird.

Weit war der Lebensweg des hl. Gerassimos. 1507 in Trikala (nahe Korinth) geboren, war er Mönch in Athos, ging für zwölf Jahre nach Jerusalem, wirkte auf Kreta und Zakynthos und kam schließlich nach Kefalonia, wo er als Eremit in einer Höhle gelebt haben soll. 1560 gründete er das Frauenkloster, wo nach seinem Tode Wunder geschahen. Daraufhin wurde seine Grabstätte mehrmals geöffnet, worin sein Leichnam ohne Zeichen der Verwesung vorgefunden wurde. Im Jahre 1622 wurde er vom Patriarchen heilig gesprochen.

Pilger und Wunder Alljährlich am 16. August - zu seinem Todestag - und am 20. Oktober - dem Tag der Heiligsprechung - finden ihm zu Ehren bedeutende Feste auf Kefalonia statt. Die Reliquie des Wundertätigen wird in einer Prozession geführt, am Straßenrand erbitten kranke Pilger Heilung, Händler verkaufen ihre Waren, und es wird bis zum Morgengrauen gefeiert.

Das Phänomen der "Schlangen der Gottesmutter" von Markopoulo tritt ebenfalls im August auf. Die Bewohner des kleinen Dorfes oberhalb der Bucht von Katelios erhoffen jeden Sommer, daß vor Maria Himmelfahrt (15. August) die Schlangen wiederkommen und sie und ihren Ort beschützen. Wundertätigkeit wird nicht von ihnen erwartet, aber der Glaube ist sehr stark, daß ihr Erscheinen Unheil abwendet.

Es wird auch gesagt, daß sie zur Zeit der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg und im Jahr des Erdbebens nicht in Markopoulo erschienen sind. Wenn sich dann Gläubige zur Heiligen Messe am Maria Himmelfahrtstag in der Dorfkirche versammeln, stehen die kleinen, hellen Schlangen mit dem schwarzen Kreuz am Kopf im Mittelpunkt. Sie kriechen auf Stuhllehnen, über die Schnitzereien der Altarwand, und es löst Begeisterung aus, wenn eine auf die silberne Ikone der Gottesmutter klettert.

Der Volksglaube auf Kefalonia erzählt von Nonnen, die sich vor Jahrhunderten in Schlangen verwandelt hatten, als ihr Kloster von Seeräubern überfallen wurde. Also gelten die Tiere als Glücksbringer und nicht als das Symbol für das Böse. In der Antike wurde die Schlange ja als Beschützerin des Hauses verehrt, darin sehen Volkskundler die Wurzeln des "christlichen Schlangenkults" von Markopoulo.

Vor allem an der Südostküste Kefalonias, dort wo die langen, sanften Strände die Urlaubsgäste anlocken, sieht man die touristische Entwicklung wachsen. Diese Gegend ist auch sehr reizvoll: eine gepflegte Gartenlandschaft vor hohen Bergen umgeben Palmen, Oleander, Kakteen, blühende Rosen wachsen bis zum sauberen Sandstrand, das Meer ist klar und ruhig. Noch ist nicht zu geschäftig gebaut worden - meist niedrige Appartement-Häuser - und die Anzahl der Liegebetten plus Sonnenschirm hält sich auch noch in akzeptablen Grenzen. Umweltverträglicher Tourismus ist das langfristige Ziel, für das sich lokale Gruppen einsetzen.

Katarina Xenopoulo ist Fischerfrau und Präsidentin der "Katelios Group for the Research and Protection of Marine and Terrestrial Life." Die Gruppe wurde 1994 gegründet und renovierte die alte Dorfschule als ihr Zentrum. "In Hotels und Tavernen veranstalten wir Informationsabende über die bedrohte Meeresschildkröte Caretta caretta. Wir brauchen die Mithilfe der Touristen", sagt Katarina, "weil immer mehr touristisch genützte Sandstrände eine Gefahr für den Bestand der Tiere sind. Sonnenschirme und Liegebetten zerstören ihre Nester, die Lichter von Hotels und Tavernen weisen den frisch geschlüpften Jungen den Weg in die falsche Richtung und herumliegender Müll versperrt ihnen bei den ersten Schritten den Weg", erklärt die Umweltschützerin.

Schildkröten retten Meeresschildkröten leben seit mehr als 100 Millionen Jahren in den Ozeanen unserer Erde. Der Lebensraum der großen Caretta caretta, der Unechten Karettschildkröte, im Mittelmeer wurde in den letzten Jahrzehnten drastisch kleiner.

Sie kehren zur Eiablage auf jene Sandstrände zurück, wo sie selbst geschlüpft sind. Zwischen Juni und August graben die Muttertiere im Schutze der Nacht Nester in den trockenen Sand, legen rund 100 weichschalige Eier ab und tauchen wieder ins Meer zurück. Wiederum nachts schlüpfen nach sieben bis acht Wochen die Jungen und streben dem Meer zu, sie orientieren sich dabei am Licht des Mondes.

Durch Überfischung von Berufs- und Hobbyfischern und die allgemeine Verschmutzung des Mittelmeeres kamen die traditionellen Küstenfischer in eine wirtschaftlich schwierige Lage. Noch vor einigen Jahren töteten sie die Schildkröten und die Mönchsrobben. Die Meeresbiologin Aliki Panou von der non-profit Organisation Archipelagos kämpft, unterstützt von WWF und EU, jetzt vehement gegen das Aussterben der Tiere.

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