Jan Wagner bei den Rauriser Literaturtagen 2024 - © Foto: Brigitte Schwens-Harrant

Dringlich und zumutbar: Rauriser Literaturtage 2024

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Wo Sprache ihren Raum bekommen kann und Literatur zum Gespräch einlädt: Zum 53. Mal fanden im schönen Salzburger Tal die Rauriser Literaturtage statt.

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Wo Sprache ihren Raum bekommen kann und Literatur zum Gespräch einlädt: Zum 53. Mal fanden im schönen Salzburger Tal die Rauriser Literaturtage statt.

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Rauris, am 6. April 2024. Der Himmel strahlend blau, die Hotelterrasse lädt nach dem Vormittagsprogramm zum Blick auf die schneebedeckten Berge. Doch es ist zu heiß, um in der Sonne zu sitzen, Anfang April, auf 950 Meter Seehöhe. Wer keinen Schattenplatz mehr erwischt, begibt sich in den Speisesaal und erinnert sich an Rauriser Literaturtage, bei denen man jede Minute Sonne genossen hat, um sich nach dem Winter zu wärmen. Um 14 Uhr geht’s weiter, im Mesnerhaus, es ist ein kurzer Weg, leicht bergauf. Ein Sommerkleid wäre passender, Sandalen, Sonnenschutz.

So weit die Wetterlage bei den Rauriser Literaturtagen 2024. Die einen freuen sich: Wie schön, wie herrlich! Andere ahnen, dass dies nichts Gutes verheißt. Das Klima haben sich Ines Schütz und Manfred Mittermayer als Thema zwar nicht dezidiert vorgenommen – sie luden zu „Geschichten vom Zusammenleben“ –, aber es war doch sehr präsent. Das lag nicht nur an den Temperaturen, sondern vor allem an der beeindruckenden Lesung von Laura Freudenthaler am Freitag. Ihr jüngstes Buch „Arson“ (Jung und Jung 2023) thematisiert eine Welt, die aus den Fugen geraten ist; der technische Fortschritt hat zwar Satelliten ermöglicht, die von weit her Feuer beobachten und kartografieren – man kann den hitzebedingten Waldbränden daher bei der Ausbreitung interessiert zusehen –, verhindern lässt sich hingegen der bereits in Gang gesetzte Lauf der Dinge nicht mehr. Kein Wunder, wenn man nicht mehr schlafen kann.

Innehalten

Es war auffällig still im Saal, als Laura Freudenthaler aus ihrer Prosa las – als würden alle den Atem anhalten. Auch bei ihrem Gespräch mit Manfred Mitter­mayer, als sie – sorgfältig die Worte wählend – über die Not sprach, aus der diese Literatur entstanden ist, und über die Schwierigkeiten, sie in eine entsprechende literarische Form zu bringen. Es war eine Stille, die spüren ließ, wie Literatur nahegehen kann, weil jedes Wort zum Innehalten, zur Besinnung ruft.

Eindrücklich waren diese Momente auch, weil Sprache und Thema nicht auseinanderbrachen – beide sich gleichermaßen dringlich zeigten. Ähnlich konnte man dies bei den Lyriklesungen tags da­rauf spüren, als José F. A. Oliver, Jan Wagner und Anja Utler lasen. Utler wurde einige Tage zuvor für ihren Trauerrefrain „Es beginnt“ (Edition Korrespondenzen 2023), der Bezug nimmt auf den Angriff Russlands auf die Ukraine, mit dem renommierten Peter-Huchel-Preis für deutschsprachige Lyrik ausgezeichnet. Dort wie da trauert eine Autorin über den Zustand der Welt, ringt um eine Sprache dafür. Einem gemeinsamen Gespräch der beiden Autorinnen hätte man gerne gelauscht.

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