Gottfried August Bürger  - © Foto: Imago / H. Tschanz-Hofmann

Gottfried August Bürger: Der Mann, der Baron Münchhausen populär machte

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Der Dichter Gottfried August Bürger – vor 275 Jahren als Pfarrerssohn geboren – machte den Baron Münchhausen populär. Dieser war weniger ein Lügner als ein Meister der Fabulier- und Übertreibungskunst.

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Der Dichter Gottfried August Bürger – vor 275 Jahren als Pfarrerssohn geboren – machte den Baron Münchhausen populär. Dieser war weniger ein Lügner als ein Meister der Fabulier- und Übertreibungskunst.

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Die Herren Klassiker in Weimar waren Gottfried August Bürger nicht wohlgesonnen. Erst schmähte Schiller den rasch populär gewordenen Balladenschöpfer aus Göttingen als „liederlichen Dichter“, dem jede „sittliche Maßbeschränkung“ fehle. Dann qualifizierte ihn auch Goethe ab: als nicht satisfaktionsfähig in der erlauchten Republik der literarischen Geister.

Nein, der wildwüchsige Erzpoet Bürger bekam in der tonangebenden Gesellschaft seiner Zeit keinen Fuß auf den Boden. Dabei war seine Meisterballade „Lenore“ damals in aller Munde: „Lenore fuhr ums Morgenrot / Empor aus schweren Träumen: / ,Bist untreu, Wilhelm, oder tot? / Wie lange willst du säumen?‘“ Die Klage der im Siebenjährigen Krieg ratlos ohne Nachricht zurückgebliebenen Soldatenfrau fuhr den Zeitgenossen Bürgers damals ebenso ins Mark wie sie noch heute die seelischen Verheerungen einmahnt, von denen die Witwen im Ukrainekrieg heimgesucht werden.

Bürger, der vor 275 Jahren, am 31. Dezember 1747, geborene Pfarrerssohn aus Molmerswende im Harz, hatte sich mit der Sprache der Bibel und Luthers im Ohr als Stürmer und Dränger ganz der deutschen Volksdichtung zugewandt. Seine Balladen zirkulierten als Liedflugschriften in breitem Publikum. „Alle Poesie soll volkstümlich sein, denn das ist das Siegel ihrer Vollkommenheit“, verkündete der Dichter. Von der Antikenverehrung der Weimarer Großmeister hielt er sich gänzlich fern. Stattdessen erhob er in dem Gedicht „Der Bauer an seinen durchlauchtigsten Tyrannen“ eine stürmische lyrische Anklage wider die absolutistische Fürstenherrschaft.

Balladen waren die Form, die Bürgers Genie bekundeten. Er schrieb deren viele, darunter etwa so bekannte wie „Der wilde Jäger“ oder „Das Lied vom braven Mann“. „Seine Balladen bliesen das literarische Rokoko mit einem einzigen Stoß ins Museum“, schwärmt der Schweizer Germanist Peter von Matt: „Der deutsche Vers lebt bis heute von Bürgers melodischem Sensualismus – ob das die Dichter und Dichterinnen nun selber wissen oder nicht.“

Von Kugel zu Kugel springen

Im Gedächtnis der Nachwelt bleibt Bürgers Name neben dem Gedicht über das Kriegsleid der früh verwitweten Leonore untrennbar mit den unglaublichen Abenteuergeschichten des „Lügenbarons“ Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen verbunden. Er hatte die Erzählungen bei einem großen Publikum populär gemacht – doch erfunden hatte sie der Freiherr Münchhausen selber, der damals tatsächlich gelebt hat. Den Schimpfnamen „Lügenbaron“ hatte er schon zu Lebzeiten erhalten und war davon alles andere als begeistert.

Mit Lügen Karriere zu machen, ist ein gut bekanntes, jüngst besonders bedenklich verbreitetes Phänomen. Doch Münchhausens Geschichten waren keine Lügen nach Art der modernen Fake News; – es waren phantastische Fabulierstücke voll kühner Abstecher ins Absurde, erfunden zur Unterhaltung der abendlichen Gäste auf dem Ansitz des Barons.

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