Milan Kundera - © Foto: APA/AFP

Milan Kundera: Wenn die Macht unmittelbar ins Leben eingreift

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Am 11. Juli 2023 verstarb der Schriftsteller Milan Kundera. Der Härte der Realität setzte er in seinem Werk die Hoffnungen – oder das Scheitern – seiner Figuren gegenüber. Ein Nachruf.

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Am 11. Juli 2023 verstarb der Schriftsteller Milan Kundera. Der Härte der Realität setzte er in seinem Werk die Hoffnungen – oder das Scheitern – seiner Figuren gegenüber. Ein Nachruf.

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Fällt der Name Milan Kundera, ist der Titel eines Romans sofort gegenwärtig: „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“. Dabei steht dieses Buch von 1984 etwa in der Mitte eines lebenslangen Prozesses, den Menschen – hineingeworfen in eine Zeit, die ihm nicht gewogen ist – in all seiner Widersprüchlichkeit zu porträtieren. Diese Literatur ist ein Plädoyer für die Widerstandskraft gegen Vorgaben, die darauf abzielen, dem Einzelnen die Luft zu nehmen. Klein beizugeben, hat eine Figur von echtem kunderaschem Schrot und Korn nicht vor. Die Politik mag ihre Fallstricke auslegen, aber wer sagt, dass man sich davon beeindrucken lassen muss? Wer stillhält, hat bei Kundera keine guten Karten. Leben heißt, zu existieren im Widerstand. Das muss einer erst einmal aushalten, deshalb die Flucht ins unverfälschte Leben der Liebe und des Genusses. Freiheitssucher sind sie alle, auch wenn das nicht immer gutgehen kann. Immerhin stehen sie zu sich und ihrer Auffassung von einem Dasein, das sich nicht krümmen und biegen lässt.

Spagat des Lebens

Tomas und Teresa zum Beispiel. Die beiden bilden das Zentralgestirn in „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“. 1968 in Prag geraten sie in die Wirren des Aufstands gegen das totalitäre Regime. Er bedeutet einen Einbruch ins private Glück, und so wagen die beiden das, was bei Kundera so oft im Raum steht, wenn das Unbehagen wächst: den Aufbruch. Das bedeutet Flucht wie Neuanfang. Das Leben, ein Dauerexperiment. Für Tomas bedeutet das neue Lieben, Teresa zieht die Konsequenzen, kehrt zurück nach Prag, Tomas auch. Und schon holt sie die Vergangenheit ein, wenn die Politik zuschlägt. Ein Artikel wird ihm zum Verhängnis, seinen Job als Chirurg ist er los. Tomas durchschaut, wie Stalinisten ticken: „Die Verbrecherregime wurden nicht von Verbrechern, sondern von Enthusiasten geschaffen, die überzeugt waren, den einzigen Weg zum Paradies gefunden zu haben.“ Was zieht die beiden zurück aus der Freiheit in das Land der systematischen Überwachung? Ist die Leichtigkeit des Seins tatsächlich unerträglich für jemanden, der sich an ein Leben in Abhängigkeit gewöhnt hat? Immerhin ist es absehbar, dass die beiden dafür die Härten der Vernichtung individueller Ansprüche eintauschen.

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