Ödön von Horváth - © Foto: APA/Zsolnay 2001

"Zeitstücke ohne Zeit": Klaus Kastberger über Ödön von Horváth

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Was macht die Texte Ödön von Horváths bis heute so aktuell? Der Blick auf die Arbeitsweise des Autors – auf das Entworfene und Verworfene, das Geschriebene und Gestrichene – zeigt, wie Horváth Schritt um Schritt zu jenen Texten fand, die politisch sind, ohne einer konkreten Zeit verhaftet zu sein.

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Was macht die Texte Ödön von Horváths bis heute so aktuell? Der Blick auf die Arbeitsweise des Autors – auf das Entworfene und Verworfene, das Geschriebene und Gestrichene – zeigt, wie Horváth Schritt um Schritt zu jenen Texten fand, die politisch sind, ohne einer konkreten Zeit verhaftet zu sein.

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Seit Ende der 1960er Jahre ist Ödön von Horváth aus dem Theater und den Schulen nicht mehr wegzudenken, wo vor allem „Jugend ohne Gott“ gelesen wird. Nach 20 Jahren Forschungsarbeit erschien nun der 19. und letzte Band der historisch-kritischen Ausgabe von Ödön von Horváths Werken. Sie zeigt anschaulich die Werkgenese, also die einzelnen Schritte, wie Horváths Texte entstanden sind. Das hat nicht nur Bedeutung für die Wissenschaft, sondern bringt auch die Werke selbst neu zum Schwingen. DIE FURCHE sprach mit dem Herausgeber Klaus Kastberger.

DIE FURCHE: So eine aufwändige historisch-kritische Ausgabe, die alle Materialien und die einzelnen Phasen der Entstehung der Werke sichtbar macht, ist eine wichtige Grundlagenforschung. Aber warum war sie überhaupt nötig?

Klaus Kastberger: In den bisherigen Suhrkamp-Ausgaben steckt ziemlich viel Unsinn drin. Traugott Krischke, der all diese Ausgaben gemacht hat, hat sich sehr engagiert, war aber mit der Edition in den Details völlig überfordert. So gibt es in „Jugend ohne Gott“ Rechtschreibfehler, die die Schüler machen und deren Eltern. Diese Fehler wurden in den bisherigen Ausgaben immer korrigiert, obwohl sie gewollt sind. Es hat auch eine ganze Reihe von Texten gegeben, die gar nicht oder nicht ordentlich erschlossen waren.

Darunter alle Briefe, Lebensdokumente und Notizbücher des Autors, die nunmehr vollständig vorliegen. Auch einige unbekannte Werke wie das frühe Stück „Niemand“ liegen jetzt vor. Das größte Problem der alten Editionen war das werkgenetische Material, das immer wieder anders und anders schlecht editiert worden war. Tatsächlich ist bei Horváth genügend Material vorhanden, um den Produktionsprozess, also die Entstehung der Werke, editorisch in nahezu allen Details darzulegen.

DIE FURCHE: Er hat ja intensiv an seinen Werken gearbeitet ...

Kastberger: Es ist sehr spannend, wie Horváth gearbeitet hat! Eigentlich sieht man erst an seiner Arbeitsweise, dass er ein eminent moderner Autor war. Er hat Cut-and-Paste-Verfahren, also Schneide- und Klebetechniken verwendet. Und es ist auch durchaus nicht so, dass er den Leuten etwa auf dem Oktoberfest aufs Maul geschaut und die Dia­loge dann eins zu eins aufs Papier gebracht hat. Es schaut bei ihm vieles genuin natürlich aus, aber es ist nicht genuin natürlich. Wir haben es hier mit hochgradig konstruierten Sprachfügungen zu tun.

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