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„Musik für die Jugend

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Zwei Jahre nach der Gründung der österreichischen Sektion ist auch in Wien die „Jeunesses musicales“ ein fester Faktor im Musikleben geworden und kann nun den letzten Sprung von der erfolgreichen. Improvisation zu eigenem Planen wagen. Wesentlich erleichtert wird diese Aufgabe durch das Vorbild der westeuropäischen Staaten, die mit dem Gründerland Belgien ah der Spitze bereits seit 1946 eine imponierende Organisation aufgebaut haben — sogar mit eigenen Zeitschriften und Radiosendungen. Österreich nimmt zwischen diesen und den später errichteten Sektionen in Westdeutschland, Italien, Ägypten, Kanada und den USA noch eine Mittelstellung ein, wird aber wohl bald ebenfalls zu den „alten Mitgliedern“ der internationalen Vereinigung zählen.

Selten ist ein Unternehmen unter günstigeren Auspizien begonnen worden, nicht den äußeren Umständen, sondern dem inneren Bedürfnis nach. Die Kriegs- und Nachkriegsjugend zur ernsten Musik zu führen, ist eine ebenso schöne wie an sich leichte Aufgabe. Denn gerade in der Jugend ist heute ein geistiger Aufbruch festzustellen, der sich vor allem in einer weltoffenen, kritischen Aufnahmsfreudigkeit manifestiert, in einem selbständigen Aussondern und Werten. Man wird heute kein unbefangeneres und zugleich kritischeres Publikum finden als die Jugend. Wer etwa in den letzten Wiener Konzerten der „Jeunesses musicales“ herumhorchte, mußte vor allem zwei Feststellungen treffen: da ist wirklich ein neues Publikum, das hier zum erstenmal regelmäßig Konzerte hört, also nicht bloß eines, das sich eben für bestimmte Veranstaltungen um dasselbe Geld einen schönen Sitzplatz kauft statt des obligaten Stehplatzes; und da ist ein Publikum, dem einmal wirklich das Werk höher steht als der Dirigent, das Musikhören nicht als Entspannung, sondern als geistiges Verstehen auffaßt. Dies findet seinen lebendigen Ausdruck auch im laufenden Kritikenwettbewerb, der besonders im Hinblick auf moderne Werke eine seltene Unbestechlichkeit und Klarheit des Urteils gezeigt hat. Darin dürfte auch der tiefste Grund für die Bereitwilligkeit zu suchen sein, mit der sich die größter Künstler ohne Zaudern zur Verfügung stellen — in der vergangenen und der laufenden Saison konzertierten Furtwängler, Knappertsbusch, Krauß, Karajan, Markevitch, Zecchi, Gru-miaux, Cassado und der junge Gulda für die .Jeunesses musicales“ I Nur die beste Qualität kann dem Ernst der Aufgabe angemessen sein, und in dieser Beziehung steht Österreich vielleicht an der Spitze aller beteiligten Länder.

Die Hauptaufgabe besteht nunmehr darin, freie Hand für eine sinnvolle und aufbauende Planung zu gewinnen. Bisher wurde der Abonnementzyklus in Form von Wiederholungskonzerten von der Konzerthausgesellschaft und der Gesellschaft der Musikfreunde 'übernommen. Die Programme waren damit gegeben, doch leider nicht immer zweckentsprechend oder den Wünschen der jungen Hörer gemäß. Die geplante Erweiterung auf Doppelkonzerte (schon heuer reichte der Große Musikvereinssaal nicht ganz aus) macht schlüeßlich auch rein technisch die selbständige Veranstaltung eines Teiles der Konzerte notwendig. Auch bei dem wie bisher übernommenen Rest soll das Programm teilweise geändert werden, etwa durch Hereinnahme eines anerkannten Meisterwerkes der Moderne. Ist doch bei diesem unvoreingenommenen Teil des Wiener Publikums die Grundlage für das Verständnis der wertvollen Gegenwartskunst, nämlich einfach das Verstehenwollen, in besonders hohem Maße gegeben. Die Öffnung der philharmonischen Hauptproben für die „Jeunesses musicales“ ist bereits zu einer außerordentlich beliebten, festen Einrichtung geworden. Aber auch ein Kammermusikzyklus und öfter als bisher Einführungsvorträge vor den Konzerten sollen geboten werden.

Die Frage der Bundesländer wird aktuell: seit kurzer Zeit besteht eine Salzburger Sektion, welche eigene Konzerte mit dem Mozarteumorchester veranstaltet. Um aber bei Wien zu bleiben, so dürfte auch hier eine intensivierte Werbung in den Schulen in enger Zusammenarbeit mit dem „Theater der Jugend“ weiterhin auf fruchtbaren Boden fallen. Das Unterrichtsministerium läßt sich die wirkungsvoll Förderung dieser Bestrebungen angelegen sein und hat seit dem internationalen Kongreß in Wien zu Ostern 1950 auch die Subventionierung übernommen. — Alles fließt, alles trägt seinen natürlichen Ablauf in sich; derjenige der Idee der „Jeunesses musicales“ scheint einer breiten Entfaltung zuzustreben.

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