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„Vor Schwierigkeiten nicht kapitulieren“

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Seit Dienstag, den 8. September, mittags, hat die Wiener Staatsoper einen neuen Direktor, der ab der Spielzeit 1972—73 seines Amtes walten wird. Rudolf Gamsjägers Name und Wirken sind der Öffentlichkeit wohl bekannt. Die „Personalien“, die im Wiener Kulturleben so ziemlich jeder von jedem kennt, weniger. Seit 1946, also seit bald 25 Jahren, leitet er die Gesellschaft der Musikfreunde als deren Generalsekretär. Mit den

Jubiläumsveranstaltungen „100 Jahre goldener Saal“ im Rahmen der Wiener Festwochen 1970 hat sich für ihn ein Kreis geschlossen. Auch bei dieser festlichen Gelegenheit blieb Professor Rudolf Gamsjäger im Hintergrund. Am Rednerpult hat ihn wohl kaum jemand gesehen, und auch der Presse „stellt“ er sich nur zu besonderen Anlässen. Daher müssen die oben erwähnten Personalien nachgetragen werden.

Rudolf Gamsjäger wurde am 23. März 1909 in Wien geboren, hat also im vergangenen Jahr in aller Stille seinen 60. Geburtstag begangen. Die Familie ist während des Dreißigjährigen Krieges aus dem Bayrischen eingewandert. Eine Großmutter war Absolventin des Konservatoriums jener Gesellschaft, deren Geschicke der Enkel bis auf den heutigen Tag leitet. Rudolf Gamsjäger studierte Mathematik und Chemie, verließ die Universität mit dem Absolutorium der Philosophie und trat ins Berufsleben. Im Alter von 23 Jahren war er bereits Direktor eines industriellen Betriebes. Musikstudien widmete er sich zunächst nur in der Freizeit und aus Liebhaberei. Der Realschüler nahm Privatunterricht im Orgeispiel, an der Akademie für Musik nahm er Gesangsunterricht und absolvierte die Meisterklasse. Sogar während des Krieges und in Uniform fand sich Gelegenheit zu musikalischer Betätigung: bei der griechischen Erstaufführung des „Deutschen Requiems“ von Brahms im Athener Rundfunk... Alle jene Qualitäten und Fähigkeiten, die der Gesellschaft der Musikfreunde und ihrem Publikum in diesem letzten Vierteljahrhundert zugute gekommen sind, bringt Rudolf Gamsjäger auch in sein neues Amt mit und wird sie einzusetzen wissen: Initiative und Energie, Liebe zur Arbeit und ein unbedingter Wille zur Qualität. Vor Schwierigkeiten und Künstlerlaunen hat man ihn bisher nicht kapitulieren sehen, und er wird es wohl auch künftig nicht tun. Er ist übrigens in mehreren Sportarten bewandert, auch im Boxen, und sagte einmal: „Das braucht man, bildlich gesprochen, in diesem Beruf.“ Das vorwiegend konservative Programm der Musikvereinskonzerte hat er, besonders während der letzten Jahre, vorsichtig erneuert, ohne daß der Kassenrapport darunter gelitten hätte. Möge ihm dies auch im großen Haus am Ring gelingen. Und dies zuletzt — und doch nicht zuletzt: Rudolf Garns Jäger versteht zu wirtschaften und hat eine Bilanz, um die ihn mancher Minister beneiden konnte. Unmittelbar nach seiner Ernennung, das heißt noch am gleichen Tage, teüte er den für die Oper zuständigen Fachkritikem mit: „Da die Grundlage für jede Planung eine genaue Kenntnis der Betriebs Verhältnisse und der bereits für die nächsten Jahre getroffenen Dispositionen ist, habe ich den Herrn Minister gebeten, erst nach Ablauf von etwa sechs Monaten ein Konzept für meine Direktionsarbeit vorlegen zu dürfen.“

Diesem sieht auch die musikalische Öffentlichkeit Wiens mit Interesse entgegen.

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