Notwendige Bücher machen

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Bis Ende der neunziger Jahre hat er "den" katholischen Verlag des deutschsprachigen Raumes (und weit darüber hinaus) operativ geführt. Vor kurzem beging er seinen 80. Geburtstag und veröffentlichte dazu seinen Erinnerungsband "Fährmann zwischen den Ufern": Hermann Herder, Grandseigneur und Verlegerpersönlichkeit im furche-Gespräch.

Die Furche: Sie haben lebenslang mit Büchern zu tun gehabt: Was bedeutet "Buch" für Sie persönlich?

Hermann Herder: Das Buch ist ein echter Gesprächspartner, im Gegensatz zu den neuen Medien. Würden Sie auf eine einsame Insel verschlagen werden, dann wäre das Buch für Sie ein echter Begleiter. Das Fernsehen würde zwar Novitäten aus der Welt übermitteln, würde Sie aber nicht innerlich und geistig befriedigen können ...

Die Furche: ... zur Zeit boomen aber die schnellen Medien wie Fernsehen und Internet. Gibt es da noch genug Menschen, die ein Buch lesen?

Herder: Es gibt heute nicht weniger Leser als zur Zeit Goethes. Wer sagt: "Ich habe im Buch geblättert, ich habe diagonal gelesen, ein Kapitel angeschaut", ist kein Leser, sondern jemand, der sich eine kurze Information beschafft. Leser sind Leute, die mit dem Buch umgehen, es bei sich haben, abends im Bett lesen und sich intensiv mit dem Inhalt auseinander setzen. Wenn wir dieses Kriterium anlegen, sind das auch heute nicht viele.

Die Furche: Ihre Lebenserinnerungen heißen "Fährmann zwischen den Ufern". Als Fährmann zwischen welchen Ufern sehen Sie sich?

Herder: Alle Ufer geistiger Positionen. Dieser Fährmann möchte verschiedene geistige Positionen miteinander ins Gespräch bringen.

Die Furche: "Fährmann" ...

Herder: ... enthält auch das Wort "Fähre" - das einen besonderen Reiz im Bild enthält: Die Fähre ist zwar ein Boot, das aber an einem Seil hängt, welches von einem Ufer zum anderen gespannt ist. Das heißt, die Fähre hat die Möglichkeit der Bewegung, sie verbindet Ufer, ist aber ans Seil fixiert - das ist die geistige Grundlage des Verlages, der ein Konzept hat, das der Verleger sinnvollerweise nicht verlässt, er wird es ausweiten, präzisieren, er wird Akzente setzen - auch im Blick auf die Zeit und ihre Anforderungen.

Die Furche: In den letzten Jahren sind Verlegerpersönlichkeiten immer weniger geworden. Es gibt Manager - und vor allem wirtschaftliche Interessen.

Herder: Ich kann diese Entwicklung nur bedauern, muss sie aber zur Kenntnis nehmen. Die Tendenz geht zu großflächigen Angeboten, die meist von Konzernen geführt werden. Die Gefahr dabei ist, dass dem Kunden dabei ein sehr breites Angebot vorgelegt wird, aber die Auswahl dieses Angebots nicht mehr wie früher nach qualitativen Gesichtspunkten geschieht, sondern nach quantitativen. Ich habe im Laufe der Jahre viele Buch-Händler - das ist ja der Überbegriff, früher gab es keine Verleger - kennen gelernt, die sich von der Vorstellung treiben ließen, ihre technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten in den Dienst des Buches zu stellen. Viele derer, die sich heute mit dem Buch befassen, sind dagegen Kaufleute, die genau das Gegenteil möchten, nämlich geistige Potenz in den Dienst des wirtschaftlichen Erfolges zu stellen.

Die Furche: Wie kann ein Haus wie Herder da bestehen?

Herder: Indem so ein Verlag die Bücher macht, die die anderen nicht machen. Der Verlag Herder hat sich immer nach der Frage orientiert: Gibt es Bücher, die für unsere Zeit notwendig sind. Diese Bücher sind schwierig. Man muss also Schwierigkeiten bewältigen, um solch Notwendiges zu machen.

Die Furche: Aber auch der Verlag Herder muss Bücher machen, mit denen er schlicht und einfach Geld verdient.

Herder: Das ist sehr wichtig. Es gab immer wieder Verlegerpersönlichkeiten, die ein wunderbares geistiges Verlagsprogramm zusammengestellt haben, aber in Schönheit untergegangen sind, weil sie die wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht geschafft haben.

Die Furche: Herder ist - trotz seiner "katholischen" Ausrichtung - ein privater Verlag: Warum sollte die Kirche ihre Publikationen Ihnen überlassen und nicht einem kircheneigenen Verlag?

Herder: Es bestimmt ja der Codex Iuris Canonici, dass Geistliche keine Geschäfte machen sollen - es hält sich nur niemand daran! Das II. Vatikanum hat dies deutlich zum Ausdruck gebracht, als es von der Autonomie der Welt sprach. Der Spezialist für die Behandlung dieser Welt ist der Laie, nicht der Kleriker! Das ist eine Legitimation für den Laien als Verleger.

Die Furche: Sie haben sich dennoch ins kirchliche System begeben und sich etwa auch immer um kirchliche Druckerlaubnisse bemüht. Aus diesem Grund sind - vor dem II. Vatikanum - in Ihrem Haus die Werke von Teilhard de Chardin nicht erschienen, weil der ein kirchliches Publikationsverbot hatte.

Herder: Das ist die kirchenrechtliche Ordnung. Und ein Verleger, der sich mit Aufgaben der Kirche beschäftigt, wird gut beraten sein, diese Ordnung zu respektieren.

Die Furche: Karl Rahner, der seit den 50er Jahren für Herder das "Lexikon für Theologie und Kirche" herausgab, hatte zu der Zeit ein kirchliches Publikationsverbot.

Herder: Er konnte formal deswegen tätig sein, weil er als Redakteur die allgemeine kirchliche Meinung darzustellen hatte. Aber wenn man genauer hinschaut, dann stößt man darauf, dass Karl Rahner seine eigene Theologie in dieses Lexikon hineinverpackt hat - und darin lag ja auch die Wirkung dieses Werkes.

Die Furche: Die meisten dieser Konfliktfälle stammen aus der Vorkonzilszeit. Und heute ?

Herder: Kirchliche Druckerlaubnis wird heute für religiöse Schulbücher, Liturgie und kirchliche Verlautbarungen benötigt, nicht aber für die wissenschaftliche Theologie.

Die Furche: Sie stehen in der Tradition einer großen Verlegerfamilie, sie sind die fünfte Generation. Was bedeutet eine solche "Familien"-Tradition?

Herder: Ein Verleger, der in solch einer Kontinuität, Tradition steht, hat es in manchem leichter, weil hinter ihm ein Weg liegt, den seine Vorgänger schon gegangen sind. Auf der anderen Seite hat er es schwerer, weil es ihm schwerer fällt, sich dem Zeitgeist zu stellen.

Die Furche: Auch das II. Vatikanum hat Sie geprägt. Was hat sich da für den Buch-Macher verändert?

Herder: Bis zum Konzil wäre ein evangelischer Kunde nie in eine katholische Buchhandlung gegangen. Es hätte sich ein evangelischer Autor nie einem katholischen Verlag anvertraut - und umgekehrt. Das Konzil hat hier Mauern eingerissen, es hat das Gespräch zwischen den Konfessionen eröffnet. Damit hat sich auch für einen katholischen Verlag die Möglichkeit ergeben, religiöse Autoren zu verlegen, die nicht katholisch sind, nicht einmal christlich - etwa der Dalai Lama, in jüngster Zeit vermehrt auch islamische Autoren.

Das Gespräch führte Otto Friedrich.

Der Verleger, der sich als Fährmann versteht

Vor wenigen Wochen beging Hermann Herder den 80. Geburtstag. In fünfter Generation hat der Freiburger Verleger das Werk von Bartholomä Herder, der den Verlag 1801 gegründet hatte, fortgeführt. Ende der 90er Jahre zog er sich aus dem aktiven Geschäft zurück und übergab die Agenden der Verlagsgruppe - die nicht nur der führende deutschsprachige katholische Verlag ist, sondern auch im französischen, spanischen und angelsächsischen Sprachraum präsent ist - an seine Kinder. - Ein katholisches Zeitzeugnis ersten Ranges sind Hermann Herders Lebenserinnerungen "Fährmann zwischen den Ufern", die der deutsche Verleger mit großem Faible für Wien sich und der Nachwelt zum runden Geburtstag gönnt. Der ZDF-Journalist Michael Albus hat Herder über Gott und die Welt befragt und daraus ein kompaktes, spannend lesbares Interview in Buchform gestaltet. Von der Verlagsgeschichte der Herders erfährt man da ebenso Erhellendes wie von deutscher Nachkriegsgeschichte aus dem Blickwinkel eines katholischen Verlegers. Der Jubilar geizt nicht mit Details aus dem Ringen eines Buch-Händlers um seine Bücher und deren Autoren, wobei die Einblicke in Wirren um kirchliche Druckerlaubnisse ebensowenig fehlen wie der Umbruch des II. Vatikanums und anderes zeitgeschichtlich Interessante. ofri

Fährmann zwischen den Ufern

Der Verleger im Gespräch mit Michael Albus

Von Hermann Herder

Verlag Herder, Freiburg 2006. 256 Seiten, geb., e 20,50

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