Sonnenaufgang in Kreta

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Für ein paar Tage, so vor den ersten Proben für den Salzburger Jedermann, bin ich auf meine Lieblingsinsel Kreta geflogen. Acht Tage Meer, Sonne, jetzt im Juni noch nicht zu heiß, Blumen und eine mir sehr angenehme Küche. (Nur den Wein, den hab ich dort nicht so gern, ein rescher Niederösterreicher ist mir lieber.)

Das Wichtigste, die Krönung des Tages sozusagen, erlebe ich schon in aller Herrgottsfrühe, so gegen viertel sieben ist Sonnenaufgang! Da krieche ich schon um 5 Uhr 30 unter dem Leintuch hervor, setz' mich auf die Terrasse und warte. Unter mir schlagen die Wellen an die Mauer, vor mir ragt eine dunkle Bergkette aus dem noch glanzlosen Meer. Grau-schwarz ist der Beginn der Farbsymphonie. Und dann so 5 vor 6 wechseln die Farben in großer Schnelligkeit. Blau, lila, rot, dann rosig, immer heller, immer heller, goldfarben - und dann kommt sie hervor, feurig, strahlend, Macht über den Tag erheischend.

Mein Lieber, habe ich zu einem Freund gestern am Telefon gesagt, da lernst beten. Es ist so, als ob die Wellen gebändigt würden, das Meer wird ruhig, glättet sich, bietet sich dar, bereitet sich vor für die Verschmelzung am Abend. Ich genieße das alles immer wieder, freue mich über das mit äußerster Präzision Tag für Tag geschehende Wunder und hoffe: Nächstes Jahr wieder.

Schon im Februar, wenn's bei uns noch schneit und kalt ist, beginne ich mich zu sehnen nach dem Wunder des Sonnenaufgangs auf Kreta. Da zieht Ruhe ein bei mir, Hoffnung und Vertrauen in den, der all das möglich macht. Für den einen mag es der Feuerwagen der Gottheit sein (unser nördlicher Baldur ist dagegen ein bläßlicher Jüngling), für den anderen das große Auge, für mich ist es der Beweis, daß es IHN gibt. IHN, der in seiner Allmächtigkeit alle diese Welten gebaut hat, dem wir alles verdanken; das Leben, die Wärme, die Hoffnung und das Gehendürfen. Was wir draus machen, ist unser Wille, dafür und dazu hat er uns den Verstand gegeben. Entscheiden müssen wir selber. Ein jeder für sich.

Ich bete darum, daß ich immer den rechten Weg wähle. Wie habe ich gesagt zu meinem Freund? Da, lieber Freund, lernst beten. Und das ist auch im Urlaub nicht das Falscheste.

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