tafelbildliche minimal music

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Repetitionen der Sinne. Zu Hartwig Bischofs Bild-Arbeit

Gewiß: allerorten sind Bilder über Bilder zu sehen und sie schauen uns öffentlich wie privat von solcher Oberfläche her an, welche als fixer oder mobiler Bildträger dienen kann. Auch im besiedelten Außenraum knallen dem Passanten Generationen von Plakatbildern entgegen, in vergessenmachender Schnell-Abfolge: wer entsinnt sich etwa noch der Stigmatisierungs-Strahlen, die in franziskanischer Manier aus den Handflächen und Fußristen der tänzelnden Palmers-Models hervorstachen. Allenthalben stößt der Blick entweder auf mehr oder minder ansprechende/ trostlose Originalkunst oder auf so und so gerahmte zigfache Klassiker-Reproduktion: Bildüberfluß, optische Wandverschmutzung, horror vacui in Auslagen, Ämtern, Büros, Speisesälen, Cafés, Warteräumen, in den Korridoren des doppeltürmigen Riesenspitals wie im intimen Gangbereich eines Bildungshauses, und sei es das jesuitische in Wien 13, Lainzer Straße, besser bekannt als Kardinal-König-Haus, aber was für übervolle Bilder sind das hier an den Wänden nahe Seminarraum S4 Dorothee Sölle und S2 Simone Weil oder im Refektorium parterre: Reihen gelbgrün gefältelter Lesezeichenstreifen, Papageienbälge grün-rot aufgeklappt, astgliederförmige Klammern wie Behälter für Köcherfliegenlarven, ein Chamäleon feinsinnig im Bild versteckt, vielfältige rosa Schweinchenvorderseiten, darin eine Querwebung mit versteckten Augen, Abfolgen von grünen Mascherln in Zweierreihen, unzählige Jesulein-Gestalten an unzählige Kreuzeshälften gelehnt, und sobald man nur ein paar Schritte von diesen Vielfach-Bildern zurücktritt, schon nimmt das Auge nur mehr ein kaleidoskopisch-prismatisch verwirrendes Gesamtbild wahr, das dann an exquisite Tapetengestaltung oder kühne Orientmusterung denken läßt, an vielfach wiederholten Rapport allemal.

Vielfach-Bilder

Sogleich haben wir bemerkt, daß es keine Idealdistanz zu diesen Bildteppichen gibt: mal heißt es vorpreschen, mal wieder zurücktreten, um die Vexierflächen, in denen manch einer gar 3-D-Bilder verborgen wähnen könnte, angemessen auf sich wirken zu lassen. Aber was ist angemessen: der immerwache Ordnungssinn beginnt sofort zu zählen, wieviele Blaukrautköpfe mit weit geöffneten Hüllblättern und rosa Blüten dazwischen sind zu sehen, wieviele verschraubte Golddosen-Zylinder in Andreaskreuzform bieten sich hier dar, aber da stört uns beim Abzählen wieder so eine Unschärferelation, diesmal oval in der Bildmitte, so ein malerisch verwischtes Element, das sich bei näherer Betrachtung als wieder so eine Papierstreifen-Flechtung waagrecht-senkrecht herausstellt, die wir vergewisserungshalber mit dem Finger befühlen möchten, doch schon wenden wir uns diesem anderen weniger vollen Bildtableau /seriellen Bildgerüst zu: gespiegelte Blondinen von oben gesehen im roten Hausanzug knotzend, deren freie Arme, geometrisch dekorativ gewinkelt, leuchtende Lampions oder strahlende Urnen umfassen, Kernfrauengebietskonzentration, steht als verschmockter Titel daneben, und C-Print gewebt, aber in dem Moment geschieht folgendes: allsogleich tritt von rechts eine leibhaftige ebenso blonde Seminarteilnehmerin vor das Kernfrauenbild, zögert kurz und fährt dann mit dem nackten Finger (sie traut sich das einfach) über die horizontal-vertikal verwebte Stelle unten im Bild drüber, wie zur Materialprobe, ob es sich um glattes Papier oder doch um rauhen Stoff handelt. Naja beides, könnte man sagen, aber da ist die blonde Bild-Frau bereits zum ersehnten Zigarettenanzünden auf die Bildungshausterrasse enteilt. Jetzt treffen wir auf das erste verkaufte Bild Kosmatisch, könnte auch heißen osmotisch, so durchdringend erscheint in diesem blutfarbenen großdurchbrochenen Vorhangmuster eine schemenhafte hockende Gestalt mit leuchtend gelbem Ball, und wer weiß, ob es sich dabei nicht um eine Art kosmischen Golfball handelt, der da obszön die Gewebestruktur durchdringt. Anderswo treten uns ungeniert heraldische Felder zwischen Kopfquartetten entgegen, Vielfach-Metallplatten, ihrerseits vielfach verklammert durch Arm- und Beinteile einer Ebenholzsitzstatt, siamesische Männerhäupter erscheinen wie leicht betrunken in den Nacken geworfen, unten an den Armen sind die bloßen Finger immer wieder verschränkt, ein deutlich indianisches Muster entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein Pulk vertäuter Boote, wo doch gerade im selben Bildtableau zwei vorgebeugte farbige Fischer erschienen sind, die sich mittels gemeinsamer Faust an der Hand halten. Dann aber springt uns ein farblich recht einheitliches Rot-Ocker-Bild mit erstaunlicher Saugwirkung an: 12 Zentren eines Kreuzrippengewölbes im Aufblick, wie für ein Panoramafoto vorne und hinten, aber auch an den Kirchenschiffwänden tief heruntergezogen, wobei die ziegelroten Schlußsteine in Reihe wie aufgefädelte Tretsteine zum Hineinhüpfen ins gekippte Gewölbe einladen. In diesem Dutzend Zentren sind dabei wie so oft bei repetitivem Verschnitt rautenförmige Gebilde entstanden, die diesmal auch als echte Himmelfahrtslöcher durchgehen könnten.

Ahnengalerie

Schon meinen wir die musterhafte Serienschaltung solcher Modulfotos unterschiedlichster Provenienz, ihre Spiegelung und Drehung verstanden zu haben, glauben zu wissen, was sich in den frappanten Repetitionen scharfen oder verschwommenen Ausgangsmaterials alles ereignen kann, etwa Wahrnehmungsverschiebungen wie beim Rezipieren des scheinbar identisch Repetierten in Film und miminal-music, wir wähnen in den bewußt störenden Flechtwerken zur Blickfokussierung Bildschemen der Medienwelt erkannt zu haben, zuweilen aber sind wir dieses palindromischen Prinzips, nämlich des hin- und zurücklaufenden orthogonalen Bildaufbaus bereits leicht überdrüssig geworden: da fesseln 4 Vornamen als Bildtitel neuerlich unsere Aufmerksamkeit, Marcel, Andy, Egon und Paul, jeweils mit der kryptischen Beifügung obliteriert samt dem Übertitel Ahnengalerie, ach ja: Duchamp, Warhol, Schiele und Gauguin, und jetzt ist das All-over-Muster mit seinem Ausbreitungs- und Verkettungsspiel nicht mehr aus Foto-Vorgaben erstellt, sondern es greift auf Bildchen aus den Bildern der großen Tradition zurück. Da bei Paul die Ahnengeister wachen, das heißt hinter seiner gewendeten polynesischen Olympia, wie sie bäuchlings schlotternd auf dem Laken liegt, eine beängstigend weißäugige Götterfigur aufragt, gehen wir jetzt angelegentlich ihren Vervielfachungen und Spiegelungen nach, bis wir auf das hidden picture stoßen, das uns vielleicht den Schlüssel zur Tradition und ihren rettenden Weiterschreibungen liefert. Dieses bildstörende Element, wie es Hartwig Bischof in seine Ahnenreihe eingewebt hat, sei allerdings jetzt nicht verraten.

Hartwig Bischof: Obliterationen

Kardinal König Haus

Lainzer Str. 138, 1130 Wien

Tel. 01/8037593-0

Bis 31. 12. tägl. 8-20,

Sa 8-18.30, So 8-14 Uhr

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