Richard the Kid - © Foto: © SF/ Monika Rittershaus

Salzburger Festspiele: Ein Tyrann und seine Wahnwelt

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Der Weg nach oben ist ein blutiger: Linda Beckmann gibt den Richard in verschiedenen Lebensabschnitten ...

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Der Weg nach oben ist ein blutiger: Linda Beckmann gibt den Richard in verschiedenen Lebensabschnitten ...

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Am Ende ist Richard III. ein gemachter Mann und vollkommen kaputt. Er hat den Thron bestiegen, der Preis dafür war, alle Rivalen zu beseitigen. Viele waren das, sehr viele sogar, allesamt Leute aus seinem nächsten Umfeld. So etwas lässt selbst einen abgebrühten Kerl nicht unberührt.

Er wird verfolgt von den Geistern der Toten, die ihn heimsuchen und ihn erinnern daran, dass sein Aufstieg auf usurpierter Macht beruht. Der Mann zeigt Schwäche und darf das nicht zugeben. Also rüstet er sich mit einer Maschinenpistole und erschießt gleich noch ein paar Vertraute. Die Wahnwelt entlässt den neuen König nicht mehr, er steht unter dem Bann seiner diabolischen Einflüsterungen, die ihm keine
Ruhe gönnen.

Dabei steht das Volk längst in Aufruhr. Sein Nachfolger beseitigt ihn und verkündet ein künftiges Zeitalter in Frieden und Sicherheit. Ein Friedensherrscher, an dessen Beginn ein Mord steht? Platitüden eben, wie sie einem gemäß sind, der sein Volk für sich einnehmen möchte.

Despot im Kampfanzug

Im Jahr 2012 wurden bei Grabungsarbeiten in Leicester die Gebeine Richards gefunden. Darauf bezieht sich die Inszenierung Karin Henkels, die auf Shakespeare ebenso beruht wie auf Bearbeitungen von Luk Perceval und Tom Lanoye. Zwanzig Messerstiche weist das Skelett im Stück auf, was mehr einer ästhetischen Entscheidung entspricht als der tatsächlichen Überlieferung.

Bis zwanzig zählt auch Richard, wenn er dabei ist, ein Opfer eigenhändig zu beseitigen. Mit den Fakten geht Karin Henkel ebenso frei um wie ihre Vorgänger, aber wer Shakespeare als Geschichtsinterpret liest, liegt sowieso falsch. Er liefert Analysen von Macht, und damit übersteigt er die Grenzen historischer Bedingtheiten locker. Das ist ein Stück für unsere Gegenwart, was bei Henkel leicht ersichtlich ist, wenn sie politische Diskurse, die unsere Gegenwart prägen, ins Stück einfließen lässt, der Sprache jeden altertümlichen Geist austreibt und ihr dafür den Jargon unserer Zeit implantiert und Kostüme und Requisiten von heute einsetzt.

König Richard mit Maschinenpistole sieht dann aus wie ein beliebiger Despot, der sich gerne bewaffnet im Kampfanzug zeigt, wenn dem Volk wieder einmal nichts Besseres einfällt, als seine Unzufriedenheit mit anhaltender Knechtung zu signalisieren. Starke Männer drängen heute vermehrt darauf, Geschichte zu machen, Karin Henkel stellt sie bloß.

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