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Im März 1980 sprach die furche mit Kardinal König über den Papst. Auszug aus der damaligen Einschätzung.

Die Furche: Im ersten Jahr seines Pontifikats schlug Johannes Paul II. eine Welle der Begeisterung und der Zustimmung entgegen. Nach einigen Klarstellungen zu strittigen Fragen kam es zu einer Polarisierung der Meinungen.

Kardinal Franz König: Dieser Papst wurde mit einem solchen Enthusiasmus [...] begrüßt, daß diesem Rausch und diesem Taumel eine gewisse Ernüchterung naturgemäß folgen mußte. Auch dieser Papst konnte nicht alles erfüllen, was die Menschen an Hoffnungen in ihn hineingelegt hatten.

Die Furche: Die Aussagen des Konzils können in verschiedener Weise interpretiert werden. Viele Katholiken haben nun das Gefühl [...], daß weniger von der Freiheit der Kinder Gottes die Rede ist.

König: Auch die Geschichte der Kirche vollzieht sich in Wellenbewegungen. Dem Auslaufen folgt jetzt ein Zurückrollen, das ist ein natürlicher Vorgang. [...] Ich verstehe die Sorge mancher Katholiken, aber ich glaube sie beruhigen zu können. [...] Die Türen und Fenster der Kirche bleiben offen und müssen offen bleiben. Gerade dieser Papst marschiert nicht ins Ghetto, auch nicht in eine Festung. [...] Der Papst ist kein Autokrat, er kann keine neue Kirche einführen, er kann auch nicht, wie manche fürchten, das "polnische Modell" auf die Weltkirche übertragen.

Die Furche: Will er das?

König: Nein, das will er absolut nicht. Natürlich ist das Leitbild der polnischen Kirche gerade in ihrer Verteidigungsposition gegenüber dem Kommunismus bei ihm präsent. Ein Mensch tritt ja, wenn er Papst wird, nicht aus seinem Volk, aus seiner Geschichte und aus seiner religiösen Tradition aus. Und die Kirche ist kein Einheitsbrei, sondern lebt in der Vielfalt ihrer nationalen, historischen und kulturellen Tradition.

Die Furche: Der Heilige Geist weht bekanntlich, wo er will, im Papst, in der Kurie, in den Bischöfen. Und wie ist das mit dem [...] Volk Gottes?

König: Natürlich auch [...] in der Gemeinschaft der Gläubigen. Man hat das früher die hörende Kirche genannt. Aber hörende Kirche, das sind wir alle. Es gibt keine Zweiklassengesellschaft in der Kirche, die ganze Kirche muß hören, vom Papst angefangen [...] Die Kirche geht ihren Weg weiter. Wohin dieser Weg führt, das bestimmt nicht der Papst allein, das bestimmen wir alle, wenn wir auf die Zeichen der Zeit, die immer auch die Zeichen Gottes sind, hören.

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