6733238-1966_08_14.jpg
Digital In Arbeit

Aus Zeiten des Umbruchs

Werbung
Werbung
Werbung

MAX HUSSAREK. Nationalitäten und Nationalitätenpolitik in Österreich im Sommer den Jahre 1918. Von Helmut Rumpler. Studien zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie, Band IV. Böhlaus Nachfolger, Graz, 1965. 118 Selten., Preis S 130.—. — EIN LEBEN ALS TOCHTER DES KAISERS. Von Herzogin Viktoria Luise.Gettinger Verlagsanstalt, Göttingen, 1965. 381 S elten, 58 Abb. Preis DM 24.—.

Was hatte die österreichische Regierung gepackt — so hat sich gewiß schon mancher Geschichtsfreund gefragt —, daß sie den Wunschtraum der Deutschnationalen Böhmens, die Gebietstrennung der Verwaltung, gerade dann in Angriff nahm, als man füglich zweifeln durfte,, ob auch größte Nachgiebigkeit die Tschechen für die Monarchie gewinnen könnte? Das vorliegende Buch enthält die Antwort auf diese Frage. Gerade weil sich der österreichische Ministerpräsident überzeugt hielt, daß die Tschechen innerhalb der Monarchie nicht mehr zu befriedigen waren, wollte er wenigstens — aus der förmlichen Sprache der Akten glaubt man ein „Hol’s der Teufel!” herauszuhören — die Deutschen zufriedenstellen, Wohl wollte er die Tschechen gerecht behandeln, aber darüber gab es ja verschiedene Auffassungen. „Freilich dachte niemand daran”, stellte Hussarek nachher fest, „den Tschechen eine Staatlichkeit einzuräumen wie den Madjaren.” Diese waren ohnehin medst der Ansicht, die der Autor zitiert: „Das südslawische Problem ist ebenso wie das böhmische keine Verständigungs-, sondern eine Machtfrage.” Er verfehlt nicht darauf hinzuweisen, daß derweilen der Krieg verloren wurde. Der Tag nahte, an dem die Slawen der Gegenpartei im Sinne des Schil- ler-Verses antworten konnten: „Nicht auf der Stärke schrecklich Recht beruft Euch.

Verständigung hätte Wien freilich mit einem slawischen Volk leicht erreichen können — mit den Polen.

Aber da sprach der deutsche Verbündete ein Machtwort. Welch einen Verbündeten die Monarchie an der eben damals von Ludendorff angeführten deutschen Regierung hatte, wird gerade in diesem Buch zum Überfluß klar. Nicht so zwar, als hätte Ludendorff dem deutschen Volk ersprießlich gedient, darüber steht im nächsten Buch Interessantes.

Mit den Erinnerungen königlicher Damen hat man gerade in Österreich nicht immer erfreuliche Erfahrungen gemacht. Das Buch der Herzoginmutter von Braunschweig dagegen ist ein für den Geschichtsfreund höchst wertvolles Werk, an dem die prächtigen Photos nur einer von vielen Vorzügen sind. Wie es schon der Titel andeutet, gilt ein Großteil der Erzählung dem Vater der erlauchten Autorin, Kaiser,Wilhelm II. Sie ist nicht etwa blind für dessen oftmaliges Ungeschick; um so schwieriger wiegt das, was sie zu seinen Gunsten zu sagen hat. Es geht nicht anders, als daß dabei für andere leitende Deutsche keine harten Worte (Bülow ausgenommen, für den das Wort Verrat fällt), wohl aber belastende Tatsachen Vorkommen. So auch für die — nachher verfeindeten — Heerführer Ludendorff und Hindenburg. Was letzteren betrifft, wissen wir ja, was der ehrwürdige Greis nachher noch alles dem deutschen Volk eingebrockt hat… Über die Entwicklung des Verhältnisses zwischen deutschen Fürsten und Nationalsozialistischer Partei ist hier viel Zutreffendes und Lehrreiches zu lesen. Es ist nachgerade bekannt, daß gerade in dieser Angelegenheit Wilhelm II. klar gesehen, ehrenhaft gehandelt hat: die betreffenden Teile des Buches gehören zu den Interessantesten. Einen Vorwurf dürfen wir dem schönen Werk nicht ersparen. Anstatt ihrem natürlichen Sprachgefühl zu vertrauen, hat die Autorin unberufenen Korrektoren Spielraum gewährt, und so kommt u. a. das von irgendwelchen Dudens neugeschaffene, garstige Wort „aufgrund” vor. Zum Schluß sei es erlaubt zu sagen: Was hier von glücklichem, weil christlichem Familienleben erzählt wird, daran kann man wohl seine Freude haben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung