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Der 20. Juli 1944 in Wien

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Die Festgehaltenen verließen nun rasch das Haus, da eine Rückfrage bei General Burgdorf im Führerhauptquartier erneut die Bestätigung ergab, daß alle Anordnungen aus der Bendlerstraße eine Mystifikation wären. Bollhammer berichtet sehr eindrucksvoll über die Schlußszene dieses Dramas:

„Als erster verließ Gauleiter-Stellvertreter Scharizer das Haus, nachdem er in humorvoller Weise mich um seine ,Kanone’ (Pistole) bat. Ich gab sie ihm aus meinem Panzerschrank zurück. SS-General Querner und sein Adjutant verließen zirka 15 Minuten später das Haus. Gaupropagandaleiter Frauenfeld betonte nochmals, daß er vom ersten Augenblick an davon über-, zeugt war, daß die erhaltenen Befehle falsch waren. Frauenfeld blieb noch beim Chef, bis er telephonisch vom Gaupropagandaamt dringend abberufen wurde. Kurz darauf kamen SS- Standartenführer Dr. Mildner und Dr. Ebner zum Chef. Beide kamen nach kurzer Zeit zu mir in das Zimmer und Dr. Ebner gab auf meinem Telephonapparat den Befehl an die Gestapo: ,Alarmzustand! — Seitz und Reither sofort in Haft nehmen!’

Auch diese beiden Herren verließen bald darauf das Haus. General von Esebeck und der Chef folgten der Einladung Oberst Dyes, in seine Wohnung zu kommen, und da der Chef noch Befehle gab, verließen die Herren mein Dienstzimmer.”

Bewacher und Bewachte

Einer allerdings, der genau wußte, daß jetzt erst in Berlin der Höhepunkt des Kräftemessens zwischen den Verschwörern und dem noch immer machtlosen und im Dunkeln tappenden Führerhauptquartier bevorstand, war Hauptmann S z o k o 11. Er hatte eben den Befehl über die Auflösung der SS und die Bestellung der politischen Beauftragten zur Unterschrift in das Zimmer des Generals tragen wßljeh. Dort, standen Bewacher und Bewachte einander verlegen gegenüber, und ein Oberstleutnant rief Szokoll entgegen: „Wissen Sie schon von den Verrätern? Keitel persönlich hat eben aus dem Führerhauptquartier angerufen. Es ist alles nicht wahr, Hitler lebt wirklich. Die in Berlin wollten einen Putsch machen.” Szokoll berichtet darüber:

„Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Wieso war es Keitel möglich gewesen, zur Gegenaktion so rasch auszuholen? Noch hielt ich die Situation nicht für verloren. In die allgemeine Zaghaftigkeit und Unklarheit konnte noch hineingeschlagen werden. Ich raste zu meinem Apparat und ließ mich mit Berlin verbinden.

.Bitte, Oberst Stauffenberg.’

,Ja?’ — Der Klang seiner Stimme sagte mehr als die Befehle Keitels.

,Durch einen Anruf Keitels läuft die Aktion in Wien nicht mehr weiter. Esebeck ist umgefallen. Aber Walküre ist durchgeführt. Noch ist alles unklar. Ich bitte um Weisungen ..

Einen Moment war es still, dann hörte ich wieder seine Stimme, seine müde Stimme, es war wohl das letzte Telephongespräch, das er führte: ,Ihr werdet doch nicht auch schlapp machen wollen, und dann wurde das.

Gespräch unterbrochen. Als ich wieder ins Chefzimmer zurückkam, noch schwankend, ob ich nicht trotzdem bei uns alles weiterführen sollte, wurde einem der verhaftet gewesenen Gestapohäuptlingen gerade der Hausgebrauch des Telephons von seinem ,Bewacher’ schlotternd und zuvorkommend gezeigt. ,Morzinplatz? Ja! Ganze Kartei auslösen! Sofort!’ “

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