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Der Gewinn von 17 dunklen Jahren

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Ein Verlag wie „Herold“, der 75 Jahre besteht, läßt sich aus der österreichischen Geschichte dieser Zeit nicht wegdenken; ist doch diese lange Periode auch die Entstehungszeit der Großmacht Presse gewesen, und kein Wort braucht mehr über Bedeutung und Notwendigkeit der Öffentlichkeitsarbeit für die Demokratie ausgesagt zu werden.

Im speziellen Fall des Verlages Herold kommt dazu, daß die mit diesem Verlag untrennbar verbundene Persönlichkeit eines Dr. Friedrich Funder weit über den sonst üblichen Einflußbereich eines Verlages und Journalisten hinausragte. So sind z. B. die persönlichen Beziehungen Funders zum Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand bereits österreichische Geschichte geworden. Was dieser hervorragende Publizist schrieb, hatte nicht nur Informationswert ersten Ranges, sondern war wiederholt Anlaß zu spektakulären Ereignissen, gleichgültig, ob es sich um Begebenheiten aus der Innen- oder Außenpolitik oder auch um wichtige Personalfragen des öffentlichen Lebens handelte. Als ein Beispiel für viele sei an das publizistische Eingreifen dieses Mannes in die österreichische Politik erinnert, als Dr. Funder seinen berühmten Artikel vom 14. November 1953 schrieb, der den sofortigen Wechsel im Außenamt zufolge hatte; wie überhaupt alles, was in den Organen des Herold-Verlages zur österreichischen Außenpolitik ausgesagt wurde, meistens weit über ein Kommentar hinausgehende Konsequenzen für die Weltorientierung Österreichs nach sich zog. Es erscheint daher auch sinnvoll, anläßlich des 75jährigen Jubiläums die österreichische Außenpolitik in die publizistischen Betraditungen einzubeziehen.

Anschluß oder Souveränität?

Die Aussage über die österreichische Außenpolitik im Herbst 1968 erfordert vor allem, den Standpunkt Österreichs als eines Meinen, am Rande des durch die jüngsten Ereignisse wieder verstärkten Eisernen Vorhanges gelegenen, neutralen Landes zu beleuchten. Dieser Standort ist natürlich nicht das Ergebnis einer abrupten Entscheidung, sondern das einer langen Entwicklung, die mit dem 12. November 1918 zwar ihren Anfang genommen hat, aber trotzdem die historische Entwicklung vor diesem Datum nicht verleugnen kann und darf. Mit dem Zusammenbruch der Donaumonarchie stand das, was als Österreich verblieb — man erinnert sich unwillkürlich an das harte Wort Clemenceaus „L’Autriche est cela que reste“ — zunächst überhaupt vor seiner Existenzfrage. Niemand konnte damals sagen, wie es weitergehen sollte, und vor allem wußte auch niemand, ob dieses „Rest“-Österreich wirtschaftlich lebensfähig sein werde. Ja, ganz im Gegenteil, die Zweifel in die wirtschaftliche Lebensfähigkeit Österreichs waren so groß, daß die erste österreichische Nationalversammlung beschloß, daß „Deutsch-Österreich“ ein Bestandteil der Deutschen Republik wenden solle. Diejenigen, die damals die Verantwortung trugen, beschlossen also die Preisgabe der österreichi-

sehen Eigenstaatlichkeit, und es war beinahe ein historisches Paradoxon, daß die Siegermächte von 1918 auf der Existenz des Staates bestanden, gegen den sie vier Jahre lang gekämpft hatten. Aus fieser Situation entstand später das Schlagwort vom „Staat wider Willen“, dessen Bedeutung sich mit dem Aufkommen des deutschen Nationalsozialismus noch verschärfen sollte.

Bei diesem Rückblick darf aber auch nicht vergessen werden, daß die österreichische Sozialdemokratie noch jahrelang den Anschlußgedanken vertreten hat. Ja selbst noch nach der „Machtergreifung“ vom 30. Jänner 1933 wurde von der Sozialdemokratie der Anschlußgedanke im Grundsatz nicht auf- gegeben. Allerdings stellte man sich nicht den Anschluß an ein nationalsozialistisches Deutschland vor, sondern man legte gewissermaßen die Anschlußidee für die Zeit aufs Eis, da in Deutschland wieder demokratische Verhältnisse hergestellt sein sollten. Selbst Dr. Adolf Schärf schrieb in seinem Buch „Österreichs Erneuerung, 1945 bis 1955“ dazu folgendes: „Der Gedanke, daß der Anschluß ... rückgängig gemacht werden könnte, war damals“ (Frühsommer 1943!) „also etwas Neues und Ungewöhnliches“. Damit befand sich Schärf allerdings in größtem Gegensatz zu den Zehntausenden Funktionären der Vaterländischen Front und jenen Sozialdemokraten, die seit März 1938 in den Konzentrationslagern und Gefängnissen nur einen politischen Gesprächsstoff hatten: die Wiederherstellung eines souveränen Österreich!

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