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Die Blomberg-Weisung 1937

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Seit der seinerzeitigen Notiz des Jahres 1934 vergingen fast drei Jahre, als plötzlich im Frühjahr 1937 zu einem nicht mehr feststellbaren Datum Hitler dem Oberkommando des Heeres den Befehl erteilte, die Möglichkeit eines militärischen Eingreifens gegen Österreich für den Fall der Wiedereinsetzung der habsburgischen Dynastie in Erwägung zu ziehen. Dieser Befehl muß vor dem 2 0. M a i 1937 erfolgt ßein, denn am gleichen Tage nahm Beck durchausablehnendStellung:

„Die Gruppierung der Mächte in Europa ist heute so. daß man an einen Krieg nur zwischen zwei unter ihnen nicht denken kann. Soweit ich Österreich, insbesondere di3 österreichische Armee, kenne, halte ich es für geradezu gewiß, daß ein deutsches militärisches Eingreifen in Osterreich gegen die Restauration der Habsburger den Kriegsfall zwischen Deutschland und Österreich bedeutet.“

In weiterer Folge nimmt Beck an, daß vor allem Frankreich und die Tschechoslowakei auf dem Plan erscheinen würden und fährt fort:

'„Das politische Ziel wird mit einem begrenzten militärischen Erfolge — Besetzung Österreichs bis zur Traun — meines Erachtens nicht zu erreichen sein. Die gewaltsame Besetzung ganz Österreichs dürfte aber so viele Kriegsmaßnahmen im Gefolge haben, daß auch beim Gelingen zu befürchten steht, daß das zukünftige deutsch-österreichische Verhältnis nidit unter dem Zeichen des Anschlusses, sondern des Raubes stehen wird...“

Zusammenfassend kommt Beck zu dem Schluß, daß eine Weiterverfolgung einej solchen Planes von seiten des Heeres nicht verantwortet werden kann.

In engem Zusammenhang mit dieser scharfen Stellungnahme stand bereits eine 1935 von Hitler geforderte operative Studie unter dem Decknamen „Schulung“, die offenkundlich gegen die Tschechoslowakei gerichtet war. Schon bei dieser theoretischen Erörterung, die Blomberg befohlen hatte, beabsichtigte Beck, sein Amt zur Verfügung zu stellen und warnte grundsätzlich vor der Konstruktion von Wunsdigedanken, die sich praktisch nicht verwirklichen ließen. Zu sehr übersah aber dieser General alter Prägung, auf dessen Kartenbildern die europäischen Kraftlinien in ihrer verhängnisvollen Verknotung immer wieder auftauchten, wie schwach seine eigene Stellung längst geworden war.

Der Kampf hinter den Kulissen um eine einheitliche Wehrmachtführung, die Blomberg ebenso betrieb wie die jüngere Generation der Offiziere, hatte Hitler längst aufhorchen lassen und ihm die Möglichkeit gegeben, allmählich immer stärker die Rechte des Generalstabes und den Anspruch des Heeres, in politischen Fragen gehört zu werden, einzuschränken. Aus dem Heer, das einstmals im Preußen-Deutschland der starke Arm der Politik gewesen war, war das „Heer in Fesseln“, wie Siegfried Westphal seine hochinteressanten Erinnerungen (Athenäum-Verlag, Bonn) betitelt, die über diesen Zeitabschnitt erschöpfend Auskunft geben, geworden. Wie eine Brüskierung der Beckschen Gedankengänge — und hier klingen Gegensätze auf, die im Frühjahr 1938 nach einer dramatischen Auseinandersetzung drängten — erfolgte, von Blombergs Hand gezeichnet, am 24. Juni 1937 eine umfangreiche Geheimweisung für die „Einheitliche Vorbereitung eines möglichen Krieges für das Wehrmachtsamt, Heer, Marine und Luftwaffe“. In diesem Dokument, das deutlich bereits die hochfliegenden Gedankengänge der künftigen operativen Berater Hitlers wie Jodl und Reichenau verrät und alle Möglichkeiten eines Krieges nach Ost und West abwägt, kreisen die Überlegungen des deutschen Oberkommandos schonvornehrolichumöster-reich und die Tschechoslowakei. Dies im Juni 193 7, langevorderMünchnerKon-ferenz und neun Monate vor den Märztagen 193 8.

Das Wehrmachtsamt ist in diesem Falle beschäftigt, eine bewaffnete Intervention in Österreich vorzubereiten. Mit einer friedlichen Durchdringung wird nicht gerechnet, sondern eher mit einem bewaffneten Widerstand von österreichischer Seite, der mit allen Mitteln gebrochen werden müßte.

Allerdings steht dieser Sonderfall in enger Verbindung mit der Sorge eines Vorgehens gegen die Tschechoslowakei, und Hitler zieht es zu diesem Zeitpunkt noch vor, eine solche Doppelaktion zu vermeiden, wohl weil er über das geringe Interesse der politisdren und militärischen Führung in Prag am Österreich-Problem nicht genügend unterrichtet war.

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