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Osterreich 1934

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In einer dieser Lagebetrachtungen tauchte unmittelbar nach dem 25. Juli 1934 zum erstenmal das Thema Österreich auf. Nach einer Zusammenfassung über die trostlose außenpolitische Situa-toin kommt Beck zu dem Entschluß: „Österreich ist der Ausgangspunkt alles Übels. Hier muß Schluß gemacht werden mit der Politik des doppelten Bodens. Das geht nur in langsamer, mühevoller Ent-hitzung.“ Tatsächlich waren weite Kreise der Wehrmacht gegen jede Aufmarschvorbereitung gegen Österreich, schon aus dem einfachen Grund, weil man annahm, daß zu diesem Zeitpunkt, da die Wiener Regierung ein großes Ansehen ,in der Welt besaß und außerdem die deutsche Aufrüstung noch in den Kinderschuhen steckte, jede aktive Beteiligung an einer politischen Aktion gegen Österreich ein Unding wäre. Dazu kam noch, daß die Kreise um Beck, vor allem aber der Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst F r i t s c h, den schärfsten Widerstand gegen die überhastete und unplanmäßige Aufrüstung Hitlers an den Tag legte. Noch war zu diesem Zeitpunkt die Luftwaffe ein teilweise getarntes Machtinstrument. Noch existierte nicht das spätere Oberkommando der Wehrmacht, dessen fähigster Kopf, General Jodl, allerdings bereits durch seine Kommandierung zu Blomberg im geheimen seine Pläne für die Zukunft schmiedete. Bis zu einem gewissen Grade war lediglich Generalfeldmarschall Blomberg, dessen Stellung als Reichskriegs-minister verfassungsrechtlich auch den Oberbefehl über die Wehrmacht einschloß, wohl Hitler persönlich ergeben; es geht jedoch namentlich aus den Aufzeichnungen von Friedrich Hoßbach, dem ersten „Wehrmachtsadjutanten beim Reichskanzler“ hervor, daß sich Hitler in diesen entscheidungsvollen Jahren in militärischen Dingen zurückhaltend verhielt und mehr die Rolle eines interessierten Staatsoberhauptes spielte. Er besteht historisch begründet die Vermutung, daß gerade in der Ära Fritsch-Beck Hitler b e-wußt die Führung seines Heeres über seine wahren Absich-tentäuschte:In keiner Weise ging er von seinem politischen Grundkonzept, die sogenannte „Lösung der Österreich-Frage“ durch militärisdie Gewalt, ab, er trachtete vielmehr, den günstigen Zeitpunkt abzuwarten, bis ihm außenpolitisch und damit militärpolitisch die Hände nicht mehr gebunden sein würden. In Becks Aufzeichnungen taucht anläßlich einer Aussprache mit dem ungarischen Generalstabschef Werth am 24. Juni 1935 neuerlich das Österreich-Thema auf. Beck verzeichnet als Inhalt des Gesprächs:

„Italiens wichtigster Gesichtpunkt in der österreichischen Frage ist es, daß es keine gemeinsame Grenze mit den 80 Millionen Deutschen will, die es fürditet. Es hat keine territorialen Aspirationen auf Österreich. Es wäre ja auch unlogisch, wenn es die unmittelbare Grenze zu Deutschland, die es gerade vermeiden will, sich auf diese Weise doch verschaffte. Wenn Italien darüber beruhigt werden könnte, daß Deutschland keine territorialen Aspirationen auf Österreich hat, den Anschluß nicht will, dann hat es keine weiteren Interessen an der österreichischen Frage. Ungarn biete Vermittlung an gegenüber Italien, Mussolini sei im Grunde prodeutsch, die Armee germanophob. Mussolini sei nie an Ungarn herangetreten, eine Front gegen Deutschland zu bilden. Italien ist seit letzter Hitlerrede beruhigt.“

Beck mußte aus diesen Ausführungen annehmen, daß, militärisch gesehen, in bezug auf östereich zunächst keine Überraschungen zu erwarten wären, um so mehr, als der Staatsvertrag vom 11. Juli 1936 ein Seitenstück zu der allmählichen Annäherung Berlins an Rom darstellte.

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