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Der verhangnisvolle 4. Febuar 1938

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Was sich seit 1935 bis zum schicksalhaften 4. Februar 1938 vollzog, war nichts anderes als ein stiller Kampf zwischen dem Generalstab, dessen Repräsentanten Beck und Fritsch waren, und zwischen der Gruppe um Blomberg, zu der Reichenau, der Typ des modernen Generals des motorisierten und von der Luftwaffe beeinflußten Kriegsinstruments der Zukunft, zählte. Als Hitler in dem berühmten Protokoll, welches Oberst Hoßbadi zur Jahreswende 1937 niederlegte, die politischen und militärischen Karten völlig auf den Tisch warf, erlebte er noch einmal durch Fritsch, Neurath und Beck sowie merkwürdigerweise auch durch Blomberg eine Opposition, die sich auch auf die gewaltsame Lösung der österreichfrage bezog. Alle Opponenten dieser Besprechung des 5. November 1937 erlebten am 4. Februar 1938 eine böse Überraschung. Durch einen kalten Staatsstreich, der in der Welt und auch von der Wiener Regierung in seiner Tragweite nicht erkannt wurde, beseitigte Hitler nicht nur den hochkonservativen Generalobersten Fritsch und damit praktisch den Generalstabschef Beck,sondern auch Blomberg und schuf sich im neugebildeten „Oberkommando der Wehrmacht“ die neuartige Form eines Militärkabinetts, das durch Vereinigung der Ressorts des Wehrmachtführungsstabes, der Abwehr, einer Operationsabteilung und des allgemeinen Wehrmachtsamtes sowie der Wehrmachtspropaganda einen Super-Generalstab darstellte, dem sehr bald Kräftegruppen, die sich längst um Jodl, Reichenau, Manstein und Guderian konzentriert hatten, zuströmten und damit das Ende der privilegierten Stellung des alten Generalstabes preußisch-deutscher Prägung bedeutete. Die Opposition Becks, welche in der tragischen Rolle, die er noch in den Ereignissen des 20. Juli 1944 spielte, sowie die vergeblichen Versuche Halders während der Sudetenkrise 1939 blieben Episoden angesichts der willigen Gefolgschaft jener Offiziere, die nunmehr bereit waren, Hitlers „permanentes Hauptquartier“ gegenüber der nüchternen Erkenntnis der angeblichen Zauderer und Rechner des Generalstabskorps zu stützen.

Als Hitler den Krieg begann, war der Einfluß des Generalstabes auf die Operationen gegen Polen noch bedeutend, aber schon die Planung des Westfeldzuges und die vorangegangene Besetzung von Dänemark und Norwegen zeigten, wie sehr das immer stärker werdende Oberkommando der Wehrmacht gegenüber dem stärksten Wehrmachtsteil, nämlich der Armee, an Ubergewicht gewann. Als der Westfeldzug auf Grund der Pläne Hitlers, der die entscheidenden strategischen Konzepte vom klügsten Kopf des Generalstabes, Generalfeldmarschall M a n s t e i n, übernahm, gegen die Berechnungen der Fachmänner, wie Brauchitsch und Halder, in einem Siegeslauf ohnegleichen endete, war das Prestige der Schule Beck-Fritsch dahin. Zu viele der Generäle beugten sich nunmehr in den folgenden Jahren vor dem scheinbaren strategischen Genie des Staatsoberhauptes, und selbst inmitten des Zusammenbruches des Rußlandfeldzuges, als die Generäle noch einmal zu einer allerdings unwirksamen Opposition antraten, konnten sie Hitlers Starrsinn nicht brechen, der inzwischen gelernt hatte, die einzelnen, innerlich zerspaltenen Gruppen des Offizierskorps im geschickten Spiel der Teilung der militärischen Gewalten gegeneinander auszuspielen. Seit dem Abgang des Generalfeldmarschalls Brauchitsch im Schicksalswinter 1941 waren selbst brillante Könner wie Manstein, der noch einmal die klassische Form des Bewegungskrieges gegenüber der starren Operationstaktik Hitlers in seinem Krimfeldzug vorexerzierte, unwirksam geblieben. Der Chef des Generalstabes des Heeres und damit der vorbildliche Führungsapparat des deutschen Heeres sanken allmählich in ihrer Bedeutung weit herab unter jene Stellung, die einstmals Hindenburg und Ludendorff im ersten Weltkrieg besessen hatten, und die maßgebenden Männer der neuen

Kriegsführung wurden die Mitarbeiter Hitlers im OKW, wie Jodl, Warlimont und Keitel, neben ihnen das bleiche Gespenst Himmlers, der in seiner Waffen-SS dem Heer allmählich den vierten Wehrmachtsteil einer parteigebundenen Gruppe, ähnlich den sowjetischen NKWD-Regimentern, aufzwang.

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