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Das Ende einer Elite

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Der deutsche Generalstab Von Dr. Ludwig F. J e d 1 i c k a

Im Nürnberger Prozeß war eine der Hauptanklagen gegen die „verbrecherischen Gruppen“ auch auf den Generalstab ausgedehnt worden. 1945 ebenso • wie 1918 glaubten die siegreichen Mächte, im Generalstab den eigentlichen Motor der preußisch-deutschen Geschichte erblicken zu können, wozu nicht zuletzt die oft uneingestandene geheime Bewunderung für das Räderwerk der militärischen Organisation in zwei Kriegen, die die Welt erschütterten, gekommen sein mag. Es unterliegt keinem Zweifel, daß in der modernen Geschichte eines Landes, dessen Fundament, die Bismarcksche Reichsgründung, gegen die Tradition durch das Schwert erzwungen wurde und dessen Stolz das scheinbar unüberwindliche Heer von 1914 war, dem Führungskorps, verkörpert im Generalstab, eine Sonderstellung eingeräumt wurde. Im Angang der Geschichte dieser Institution stand das einsame Genie Moltkes, der gelehrte Soldat humanistischer Prägung. Was er schuf, wurde zur Tradition, und als 1914 die erste Bewährungsprobe seines Werkes kam, zeigte sich dieses vielfach als leere Form. Der Einbruch der Technik in das Wesen des Krieges, die Spezialisierung, brachte neue Führungskräfte an die Spitze der Heere. Schlieffens Wort vom Generalstabsoffizier, der in der Leistung hervortreten müsse, ohne den Schein der Überlegenheit zu zeigen, konnte kaum mehr Geltung haben angesichts einer Kraftnatur wie Ludendorff, der die Rücksichtslosigkeit des modernen Krieges mit der hochentwickelten intellektuellen, aber im Grunde nicht mehr genialen Führungskunst der Schule Moltkes zu verbinden versuchte.

Als 1918 das wilhelminische Deutschland unterging und die Weimarer Republik hilflos dem Chaos ausgesetzt wurde, schlössen die Mächte der Tradition, verkörpert im Generalstab, ihr Bündnis mit der neuen Regierung, und am 16. Dezember 1918 gab es im historischen Heim des preußischen General-Stabs am Königsplatz in Berlin eine Offiziersversammlung, bei der der spätere General Schleicher, der Typ des politisch befähigten Stabsoffiziers, ein real-nüchternes Programm der Stärkung der Staats-■utorität durch Aufbau eines Eliteheeres entwickelte und die Forderung nach •iner wirtschaftlichen Gesundung jeglicher phantasievollen Außenpolitik im leeren Raum des Nachkriegselends voranstellte. Sein Gegenredner war Generalmajor von Seeckt, damals noch ohne eine Dienststellung, denn er hatte das Kriegsende •1s Generalstabschef der türkischen Armee erlebt. Seeckts Ausführungen bekannten sich zwar zum Gedanken des Eliteheeres. Für ihn bildete aber die Wiedererringung der Bündnisfähigkeit, nicht die wirtschaftliche Gesundung, die Voraussetzung des machtpolitischen Wiederaufstieges. Während Schleicher die sozialen Spannungen und wirtschaftlichen Gegebenheiten der herankommenden Zeit ahnte, versuchte Seeckt, gegen dieses Ziel in der Abkapselung der Tradition, in der Zucht eines der Politik entrückten Soldatentums, das ein „Imperium in Imperio“ darstellen sollte, Deutschland wieder auf das Schachbrett der Politik zu bringen. So war von diesem Tage an das Offizierskorps des Generalstabes, welches die Führung der kleinen deutschen Reichswehr übernahm,gezwungen, durch die Umstände der Zeit entscheidend die deutsche Innenpolitik zu bestimmen, um überhaupt weiterexistieren zu können.

Soziologisch ist dieses Generalstabskorps am Ende des ersten Weltkrieges eine innige Verflechtung preußisch-junkerlicher Familien, welche Abkömmlinge westfälischen und rheinischen Bürgertums vereinte, wobei auch das süddeutsche Element auf dem Umweg über die ehemalige bayrische Armee stark in Erscheinung trat und gerade in Halder und Jodl später einen bedeutsamen Einfluß gewinnen sollte. Die Klammer war die Tradition; die Dolchstoßlegende hatte das Prestige der älteren Generation unerschüttert gelassen.

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