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„Hie Stauffenberg - Hie Remer!“

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V. Aktion und Reaktion

Als ich in dunklen Träumen heut versank, Sah ich die ganze Schar voräberziehn .... Nicht einer, der des eigenen Vorteils dachte,

Nicht einer, der, gefühlter Pflichten bar, In Glanz und Nacht, in tödlicher Gefahr Nicht um des Volkes Leben sorgend uachte.

(Albrecht Haushofer, Moabiter Sonette)

Einer der maßgeblichen SS-Offiziere der »Sonderkommission 20. Juli“ hat berichtet, daß Stauffenberg in den entscheidenden Stunden alles an sich gerissen habe, während Beck zurücktrat und sich der ungeheuren Beanspruchung des Augenblicks anscheinend nicht gewachsen erwies. Hier wird die Revolte — wie bei Kämpfen der NSDAP — als Doppelbewegung gewertet, bei der einerseits die Offiziere gegen das NS-Regime angetreten waren, sich aber anderseits in der Spitzengruppe der Verschwörung bereits die Auseinandersetzung um die Führung anbahnte. Wieviel richtiger hat doch Albrecht Haushofer in einem seiner letzten Sonette — dem eingangs zitierten — die Einstellung dieser Männer zu ihrer Aufgabe erkannt! Was aber das Zurücktreten Becks, des Bauherrn der Revolte, anbelangt, so gab es dafür einen ganz einfachen Grund: Stauffenberg, der Baumeister des Aufstandes, konnte zumindest in den ersten Stunden als Stabschef Fromms mit der Stimme authentischer Autorität sprechen, was bei einem Unternehmen, das teilweise auf dem Gehorsamsautomatismus aufgebaut war, von unschätzbarem Wert sein mußte.

Beck übernahm um 17 Uhr als „Reichsstatthalter“ den Oberbefehl über die Wehrmacht. Seine erste Amtshandlung war die Betrauung Hoeppners mit der Führung des Heimatheeres, die Witzlebens mit der Führung des Frontheeres. Um diese Zeit hatte Stauffenberg erreicht, daß die dem Stadtkommandanten unterstehenden Einheiten ihre Marschbefehle erhielte,n (so daß um 17.30 Uhr das Regierungsviertel zerniert wurde), daß die Oberbefehlshaber sowie die Stellvertretenden Kommandierenden Generale den ersten Grundbefehl zugeleitet erhielten und daß schließlich die um Berlin liegenden Truppen marschbereit gemacht wurden. Dies war insofern wichtig, als nur durch eine rasche Konzentrierung aller treuen Kräfte die numerische SS-Ueberlegenheit — sie allein widerlegt die unsinnige Vorstellung, daß die Bendlerstraße dem Frontheer für den Putsch Divisionen hätte entziehen können — auszugleichen war.

Um 18.30-Uhr aber zeigte sich die erste schwerwiegende Folge des Zögerns, der Langsamkeit und des Widerstrebens untergeordneter Organe, die keinesfalls jenen „blinden Gehorsam“ an den Tag legten, von dem man später so viel hören sollte: der Deutschlandsender brachte die Sondermeldung über das Attentat, die Masse der Subalternen erfuhr dadurch, daß Hitler am Leben geblieben sei.

Während sich Hoeppner inzwischen mit den Amtsgruppenchefs Fromms herumschlug und vergeblich versuchte, sie der neuen Autorität zu unterwerfen, während Olbricht zu seinen Offizieren sprach, um ihnen die Lage darzulegen — viele von ihnen hatten bereits die Hoheitszeichen mit dem Hakenkreuz von der Uniform getrennt —, wurde Beck von zwei großen Sorgen bedrängt. Die erste, mit der zweiten kausal verbunden, war, möglichst rasch über den Rundfunk ans deutsche Volk zu appellieren. Ironischerweise teilte er diese Sorge mit Hitler, der ebenfalls Stunde um Stunde auf die Wiedergabe seiner Rede warten mußte („Ich weiß nicht, zum wievielten Male nunmehr ein Attentat auf mich geplant und zur Durchführung gekommen ist... ein Verbrechen, das in der deutschen Geschichte seinesgleichen sucht... eine ganz kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich verbrecherisch dummer Offiziere ...“), und, als diese nicht und nicht erklingen wollte, schon Goebbels zu verdächtigen begann, so daß also die beiden Antagonisten wie Träumer desselben Alptraumes um den befreienden Schrei zu ringen schienen.

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