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DR. STEPHAN VEROSTA / UNIVERSITÄT UND BALLHAUSPLATZ

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Die in der Wiener Hofburg versammelten Delegierten der UN-Staatenkonferenz über konsularische Beziehungen aus 90 Staaten haben den Leiter der österreichischen Kongreßdelegation, Univ.-Prof. Botschafter Dr. Stephan V e r o st a, zum Präsidenten gewählt. Das war nicht nur eine Geste gegenüber dem Gastland, das war auch ein Zeichen der Hochschätzung, der sich der heutige Ordinarius für Völkerrecht an der Universität Wien als Diplomat und Wissenschaftler weit über die Grenzen unseres Landes erfreut.

Stephan Verostas Geburt am 16. Oktober 1909 steht noch im

Zeichen von Österreich-Ungarn. Und nicht nur, was die Jahreszahl betrifft. Sein Vater, ein Wiener Mittelschulprofessor, hatte seine Frau aus der ungarischen Reichshälfte geholt. In diesem Elternhaus triumphierte auch 1918 nicht der Nationalismus. Die Idee des Ausgleichs, der Vermittlung, kurz die österreichische Idee, zieht den jungen Mittelschüler und späteren Studenten früh in ihren Bann. Als Stephan Verosta 1933 zum Doktor juris promoviert, steht es mit diesen Voraussetzungen nicht zum besten. Trotzdem tritt er nach dem Gerichtdienst 1935 in das Auswärtige Amt ein und verbleibt in diesem Dienst bis 1938. Daneben lockt aber auch bereits früh die Universität, an der der junge Attachi gleichzeitig als Assistent an der Lehrkanzel für Völkerrecht und internationales Privatrecht arbeitet. Manch anderer Diplomat hätte aus Angst, sich die „Karriere“ zu verderben, gegenüber allem, was sich rundum in Österreich tat — und es tat sich sehr viel und wenig Erfreuliches — „abgeschaltet“. Verostas wacher Sinn und seine Verantwortung als Österreicher und Katholik ließen ihn jedoch eine Reihe von Initiativen zur Festigung der staatspolitischen Fundamente entfalten. Das Ergebnis dieser Bemühungen steht freilich zu den aufgewendeten Energien in keinem Verhältnis.

Nach der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus verläßt

Stephan Verosta den Ballhausplatz und zieht sich in die nüchterne Welt der kleinen Gerichte zurück. Außerdem wartet auf ihn wie auf so viele tausend andere Österreicher die Deutsche Wehrmacht mit einem Einberufungsschein.

Dem neuen östereich und seinem Auswärtigen Dienst steht er 1945 selbstverständlich sofort wieder zur Verfügung. Auch die Universität Wien sieht ihn 1946 als Privatdozent für Völkerrecht wieder. 1948 geht Verosta nach Rom als erster Rat der Gesandtschaft beim Quiri-nal. 1949 ist er jedoch schon wieder am Ballhausplatz, wo er die Leitung der heiklen Völkerrechtsabteilung übernimmt. Diese Tätigkeit wird 1951 bis 1953 auf zwei Jahre unterbrochen, in denen wir Verosta als österreichischen Geschäftsträger in Budapest wirken sehen. In den entscheidenden Jahren 1953 bis 1956 ist er jedoch wieder auf seinem alten Posten. Sein nachdrückliches Eintreten für die österreichischen Interessen in der schwierigen Materie des sogenannten „Deutschen Eigentums“ schaffen den 1953 zum a. o. und bev. Minister Ernannten — merkwürdiges Österreich! — hierzulande nicht nur Freunde. 1956 geht Verosta wieder „hinaus“. Warschau ist das Ziel, wo er die Leitung der österreichischen Gesandtschaft im März dieses Jahres übernimmt. Unter seiner Leitung wird dieselbe nicht nur zur Botschaft erhoben, sondern Verosta hat hier Gelegenheit, alle Phasen des polnischen „Oktoberfrühlings“ aus nächster Nähe zu beobachten und auch klug und verständig die Entwicklung im kommunistischen Raum nach Stalins Tod zu studieren. Als Botschafter Verosta 1961 von dieser Mission nach Wien zu rückkehrt, steht er vor einer großen Entscheidung. Die Völkerrechtskanzel der Universität ist vakant und sein Name — er war inzwischen auch zum a. o. Professor ernannt worden — steht im Vorschlag der Fakultät primo loco.

Daß der praktizierende Katholik und überzeugte Österreicher seine Kandidatur jedoch erst nach einem recht merkwürdigen Zwischenspiel behaupten kann, ist ein Kapitel für sich.

Bedeutet Verostas Berufung an die Universität Wien einen Abschied von der Diplomatie und der Außenpolitik? Zum Glück nicht. Als Botschafter-Konsulent steht er dem österreichischen Außenministerium nach wie vor zur Verfügung. Auch nimmt er in den beiden letzten Jahren als Mitglied der österreichischen Delegation an den Generalversammlungen der UNO teil. Ein Wissenschaftler mit Weitblick und Welterfahrung, ein Diplomat mit wissenschaftlichem Tiefgang und politischer Bildung: das ist nicht alltäglich. Einen solchen Mann wird Österreich in Zukunft noch sehr brauchen können.

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