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Freiheit vor Gott und auf Ihn hin

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Zweifellos bildete die Vortragsreihe über die Bedrohungen, die Ursprünge und Zumutungen der Freiheit einen Höhepunkt des Kirchentages. Der Frankfurter Soziologe Professor Dr. Max Horkheimer machte den Anfang, der bekannte Jesuit Dr. Karl Rahner, Ordinarius für Christliche Weltanschauung und Religionsphilosophie in München (früher Innsbruck), setzte die Behandlung des Freiheitsbegriffes fort, und Professor Dr. Carl-Friedrich Freiherr von Weizsäcker, einer der führenden Göttinger Physiker und jetzt Philosoph in Hamburg, schloß sie ab. Die Freiheit des Menschen setzt die Anerkennung von Bindungen voraus. Es soll möglichst vielen Menschen eine möglichst weitgehende Freiheit gesichert werden.

Doeh der letzte Grund der Freiheit findet sich, wie Professor Weizsäcker zum Schluß ausführt«, nicht in Sitte und Gesellschaft, sondern allein in Gott. Zum gleichen Ziel auf anderem Wege gelangte in seinen Ausführungen Professor Rahner, indem er den höchsten Sinn der Freiheit als „Freiheit vor Gott und auf Ihn hin“ bezeichnete.

Auf die Fülle der Abendveranstaltungen kann hier nur hingewiesen werden. Der Dietrich-Bon-hoeffer-Abend, der „eine dokumentarische Szenenfolge über das aufregende Leben eines Christen“ von Reinhard Wilhelm Schmidt, sowie das von Arthur Miller verfaßte und im Kölner Schauspielhaus aufgeführte Schauspiel „Zwischenfall in Vichy“ zeigte, möge doch besonders erwähnt werden. Genau vor 20 Jahren, im April 1945, fand Bonhoeffer den Tod. Das Schauspiel zeigt in einer erschütternden Eindringlichkeit die Durchführung der Judenbestimmungen auch im unbesetzten Teil von Frankreich.

Auf keinem bisherigen Kirchentag konnte die Verbundenheit der katholischen und evangelischen Christen und ihrer Kirchen so hervortreten, wie es in Köln der Fall war. Bei der Eröffnung des Kirchentages richtete der Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Dr. Arnold Boesen, ein in einem überaus herzlichen Ton gehaltenes Grußwort an die große, im Müngersdorfer Stadion versammelte Kirchentagsgemeinde. Die Tagespresse erwähnt, daß durch die Teilnahme von zwei Kardinälen an Veranstaltungen des Kirchentages diesem auf dem Wege der ökumenischen Bestrebungen eine besondere Bedeutung zukomme. Außer dem bereits erwähnten Kardinal Frings war es der Erzbischof von Paderborn, Kardinal Jaeger, der dem ökumenischen Charakter des Kölner Kirchentages durch das Podiumgespräch mit Präses Beckmann eine besondere Note gegeben hat. Das Thema des Dialogs, der vom WDR-Intendant Klaus von Bismarck geleitet wurde, lautete: „Katholiken und Protestanten angesichts des Konzils.“ Wohl dürfen die Unterschiede, wie es das 1964 beschlossene Dekret über den Ökumenismus ausführt, nicht „minimalisiert“ werden, doch bestätigt sich das gemeinsame Christuszeugnis als Grundlage der Zusammenarbeit. Präses Beckmann sprach davon, wie sich in einer kleiner gewordenen Welt die „große Familie Gottes“ forme. Kardinal Jaeger bezeichnete dieses Besprach als Anfang und kündigte ein Dekret über die Religionsfreiheit an, das noch von diesem Konzil verabschiedet werde. In der Mischehenfrage stellte er noch keine Lösung, wohl aber eine Erleichterung in Aussicht. Das im Geist einer echten Toleranz geführte Gespräch erntete wiederholt den lauten Beifall der Zuhörer.

Die Teilnahme des Bundespräsidenten Lübke an der Eröffnung und des Bundeskanzlers Professor Erhard an der Hauptversammlung und des Altbundeskanzlers Adenauer am Empfang bei Kardinal Frings zeigt, welche Beachtung der Kirchentag bei den Spitzen des Staates gefunden hatte. Bedauert wurde das Ausbleiben der Besucher aus Ostdeutschland, wo aber am Sonntag als Zeichen der Verbundenheit über das gleiche Bibelwort gepredigt und die gleichen Lieder in den Kirchen gesungen wurden.

Der strahlende Sonnenschein des letzten Tages wurde bei der Schlußkundgebung als ein wahres Gnadengeschenk empfunden. Wahre Freiheit gibt es zuletzt nur im Sonnenschein der göttlichen Liebe. Sie ist aber nicht nur Gottesgabe, sondern auch Auftrag zugleich. Es geht in entscheidender Weise dabei um die Erfüllung der Kirchentagslosung, das heißt, um das Bestehen in der Freiheit.

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