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Freude nur bei Schülern

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Ein Streik hängt in der Luft. In diesem Fall aber bleibt ein Unbehagen. Die Streikdrohung kommt von der Lehrergewerkschaft, von Akademikern. Zu lange war man geneigt, sie wenigstens gefühlsmäßig vom Recht auf gewerkschaftliche Maßnahmen auszunehmen. Nur die Schulkinder hätten ein Vergnügen daran, wenn die Schulen geschlossen blieben.

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Ein Streik hängt in der Luft. In diesem Fall aber bleibt ein Unbehagen. Die Streikdrohung kommt von der Lehrergewerkschaft, von Akademikern. Zu lange war man geneigt, sie wenigstens gefühlsmäßig vom Recht auf gewerkschaftliche Maßnahmen auszunehmen. Nur die Schulkinder hätten ein Vergnügen daran, wenn die Schulen geschlossen blieben.

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Um was geht es? Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes hatten in den vergangenen Jahren den Beamten der allgemeinen Verwaltung bessere Aufrückungsbediingungen erringen können — die Lehrer, die ein eigenes Gehaltsschema besitzen, blieben demgegenüber zurück. In der allgenfeinen Verwaltung kann der A-Beamte, ohne die Klasse VIII zu erreichen, also ohne Ministerialrat zu werden, bis zu einem Gehalt von 14.070 Schilling aufsteigen. Der Lehrer blieb bisher einschließlich der Dienstalterzulage um rund 1400 Schilling unter diesem Ziel stehen. Es geht aber in Wirklichkeit auf beiden Seiten um mehr, als um die 1400 Schilling pro Kopf in den letzten Dienstjahren — auch wenn sie sich in der Masse zu recht ansehnlichen Beträgen summieren. Der Finanzminister hatte vor eineinhalb Jahren mit den Beamtenvertretern ein Stillhalteabkommen geschlossen, das ihm gegen die Zusicherung der Dynamisierung ihrer Bezüge Ruhe für die Sanierung seines Budgets bringen sollte. Dieses Abkommen läuft noch bis 1971 — es für die Lehrer zu durchbrechen, könnte verheerende Folgen in den anderen Sektoren des öffentlichen Dienstes haben. Ganz abgesehen davon, daß — soviel weiß man auch trotz Budgetgeheimnis — im Staatshaushalt f.ür 1970 dafür nichts vorgesehen werden konnte.

Zwei Jahre länger

Das ist die eine Seite, deren Argumente Sicherlich gravierend sind gleichlautend aber bei jeder ähnlichen Gelegenheit vorgebracht werden. Für die andere Seite sei zunächst ein Wort des Unterrichtsministers zitiert: Er sagte erst am Mittwoch vor der Hauptversammlung der christlichen Mittelschullehrer, eine Schulreform könne nur dann ein Erfolg sein, wenn sie vom Lehrer mit Verständnis aufgenommen und mit echtem Willen durchgeführt werde. Dazu gehört aber zweifellos, daß der Lehrer nicht nur über Inhalt und Form der Reform informiert und von ihrer Richtigkeit überzeugt ist, sondern, daß er auch materiell befriedigt ist, mindestens daß er sich nacht gegenüber anderen Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes benachteiligt fühlt.

Der Pflichtschullehrer muß heute eine um zwei Jahre längere Ausbildung durchmachen als sein Kollege vor zehn Jahren — als Absolvent der Pädagogischen Akademie pocht er mit Recht darauf, auch entsprechend höher edngestuft zu werden.

Nun stehen aber — auch das muß ausgesprochen werden — einer leidenschaftslosen Diskussion dieser Probleme manche affektgeladenen Aspekte entgegen. Da ist zunächst die Frage der Lehrverpflichtung. Sie beträgt heute an der höheren Schule je nach Fach zwischen 18 und 24 Stunden pro Woche — weil ja der Lehrer auch einen wesentlichen Teil seiner Arbeitszeit zur Vorbereitung und zur Verbesserung von Arbeiten verwenden muß. Da ursprünglich diese Lehrverpflichtung mit der Hälfte der Normalarbeitszeit bemessen worden war, diese aber nun auf 40 Stunden pro Woche verkürzt werden soll, taucht bereits die Forderung auf, auch die Lehrverpflichtung im selben Ausmaß zu vermindern. Dies aber in einem Moment, wo wohl kein Lehrer ohne wesentliche Mehrdienstleistungen nach Hause gehen kann, wo nicht zuletzt wegen des Lehrermangels das 13. Schuljahr kassiert wurde — wie sol da die Lehrverpflichtung gesenkt werden? Auch die vor einigen Jahren schon durchgesetzte Verkürzung hatte sich lediglich in einer Erhöhung der Ubej-stundenzuschläge ausgewirkt. Deshalb wäre es dringend angeraten, den aktuellen Streit möglichst bald mit einem für beide Seiten — und den Gesamtstaat — tragbaren Kompromiß abzuschließen und in gereinigter Atmosphäre leidenschaftslos den Gesamtkomplex durchzudiskutieren. Warum solte es dann nicht möglich sein, das durch fiktive Lehrverpflichtungen und tatsächlich geleistete Stundenzahlen verzerrte Bild zu bereinigen, ohne erworbene Rechte anzutasten? Warum sollte es nicht möglich sein, für die Lehrkräfte aller Kategorien ein ihrer Arbeit gemäßes eigenes Schema zu Anden, das nicht mehr sklavisch an die Regeln des Verwaltungsdienstes gebunden seijj müßte? Warum -sollte- es nicht möglich sein, dem Lehrer von morgen auch ein seiner Leistung entsprechendes Einkommen zu sichern? Allen Beteiligten müßte dann aber bewußt sein, daß gerade für den Lehrer der Beruf nicht nur Job, sondern Berufung sein muß. Auch das ist eine Voraussetzung für das Gelingen der Schulreform.

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