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„... in dessen Reich die Sonne nicht unterging“

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Die Universität Köln hat es für ihre Pflicht gehalten, den 400. Todestag des großen katholischen Monarchen des Abendlandes durch eine festliche Versammlung von Historikern zu feiern: deren Vorträge liegen hier vor uns. Es wäre nicht möglich, über so verschiedene Arbeiten zusammenfassend zu referieren; den Gesamtband betreffend, wollen wir uns daher mit dem Lob der hochinteressanten Abbildungen und der höchst würdigen Ausstattung beschränken. Auch da ist unser Lob freilich nicht uneingeschränkt. Man wählte für den Umschlag den Adler aus dem Holzschnitt von Baidung (Abb. 20): nun ist dieser Adler heraldisch unrichtig; es wäre doch gewiß geboten gewesen, einen gültigen Wappenadler Karls anzubringen, wofür die Vorlagen wahrlich nicht fehlen. — Nun müssen wir uns den einzelnen Arbeiten zuwenden — deren Interesse rechtfertigt die Aufzählung.

Peter R a s s o w : „Das Bild Karls V. im Wandel •ler Jahrhunderte.“ — Wie fesselnd dieser Gegenstand ist, braucht wohl nicht besonders betont zu werden. Was allerdings der Autor über gewisse, heutige Europapolitiker sagt, die sich auf Karl V. berufen, das dürfte wohl einigen Widerspruch hervorrufen. Nur ist die Frage „Geschichte und Aktualität“ überhaupt eine so komplizierte, daß wir darauf hier nicht eingehen dürfen.

Berthold Beinert: „Die Testamente und politischen Instruktionen Karls V. für den Prinzen Philipp.“ — Es kann kaum etwas Wichtigeres geben als Selbstzeugnisse großer Staatsmänner — zumal dann, wenn sie einen ursprünglichen, aufrichtigen Charakter haben. Gerade diesen Charakter stellen im Vorliegenden Fall spätere Überarbeitungen in Frage; das und die Frage der späteren Nachwirkung bilden das Problem der vorliegenden Arbeit.

Ramön C a r a n d e : „Maria de Hungaria en el mercado de Amberes.“ — Hier können wir nicht der Frage ausweichen: Ist es gut, ein Buch mit Beiträgen in verschiedenen Sprachen herauszubringen? — Wir Sind davon nicht recht überzeugt. Wohl: es ist irgendwie eine Huldigung an Karls eigenes Milieu, wenn sein Leben hier deutsch, spanisch, italienisch, französisch und englisch besprochen wird. Und wer über sein Leben Forschung treiben will, der soll freilich diese Sprächen (und gutes Latein) beherrschen. Aber hier liegt doch nicht eine von jenen Publikationen vor, die nur von Assistenten und Dissertanten, Archivaren und Bibliothekaren gelesen werden. Hier ist ein Buch, das in die Auslage des Buchhändlers kommt. Was macht Herr Müller oder Herr Meier mit einem spanischen Kapitel? — Das Thema, der Antwerpener Geldmarkt, berührt sich mit der kürzlich hier besprochenen Geschichte der Fugger.

Federito C h a b o d : „Contrasti e dibattiti sulla politica generale di Carlo V.“ — Den mitteleuropäischen Leser wird der Nachweis interessieren, wie auch noch innerhalb der spanischen Außenpolitik diverse Traditionen (Kastilien und Aragon!) miteinander rangen.

Herbert von Einem: „Karl V. und Tizian.“ — Mit der Symbolik alter Herrscherbildnisse ist es eine eigene Sache. Gegenwärtiger Rezensent möchte nicht schwören, selbst nicht fesselnde Beziehungen dort entdeckt zu haben, wo sie tatsächlich nicht vorlagen. Mit aller Bescheidenheit darf er den Verdacht äußern, daß auch hier einiges bei den Haaren herbeigeholt ist.

Lewis Hanke: „The other treasure from the Indies during the epoch of Emperor Charles V.“ — Gemeint ist das Quellenmaterial über die Eroberung Amerikas, das noch weitgehend der Erschließung harrt.

Hubert J e d i n : „Die Päpste und das Konzil in der Politik Karls V.“ — Betont Karls nachhaltige Bemühung um das Konzil: freilich sehen wir auch, warum die Päpste so vorsichtig an die Sache herangingen: hinter dem Konzilsplan stand der Italiener Gattinara mit seiner ghibellinischen Kaiseridee!

Hermann Kellenbenz: „Zur Problematik der Ostpolitik Karls V.“ — Der Untertitel nennt den hier behandelten Einzelabschnitt: „Die westeuropäischen Verbindungen Jan Zapolyas und Hieronymus Laskis zu Beginn der dreißiger Jahre.“

Richard Konetzke: „Amerika und Europa in der Zeit Karls V.“ — Deutet die ideen- und wirtschaftsgeschichtlichen Fragen an, die zu diesem Thema noch zu bearbeiten sind.

Ramön Menendez Pidal: „Formaciön del fundamental pensamiento politico de Carlos V.“ — Das politische Gedankengut Karls V. darf man nicht schematisch auffassen, nicht vereinfachen. Zu viele Traditionen, zu viele Programme wirkten ein auf den Erben zweier Welten! Zu dieser Frage bringt der spanische Altmeister reichlichstes Material.

Werner N ä f : „Strukturprobleme des Reiches Karls V.“ — Das Thema hätte längere und gründlichere Bearbeitung verdient. Die Bemerkung zum ungarischen Königstitel zum Beispiel ist ganz unzureichend (Ungarnpolitik Friedrichs III.!).

Georg Poensgen : „Bildnisse des Kaisers Karl V.“ — Ziemlich negatives Urteil über Karls leiblich-geistige Persönlichkeit.

Robert Ricard: „Recherches recentes Sur la littcrature religieuse sous Charles V.“ — Nur kurze bibliographische Angaben.

Fritz Schalk: „Zur spanischen Literatur unter Karl V.“ — Bespricht die Beziehung zu Erasmus.

Antonio Truyol y Serra: „Razön de estado y derecho de gentes en tiempo de Carlos V.“ — Übersicht über die schon oft bearbeiteten, doch immer hochwichtigen Fragen staatsrechtlicher Ideengeschichte im Machtbereich Karls.

Jaime Vicens Vives: „La. Corona de Aragon y el ämbito del Mediterräneo Occidental durante la epoca de Carlos V.“ — Als Erbe der Aragonesen hätte Karl eine kraftvolle Seepolitik betreiben müssen. Die Kräfte seiner Monarchie wurden jedoch auf andere Schauplätze abgelenkt (Frankreich, Deutschland), und so konnte sich viel mehr die islamische Seemacht im Westen Nordaftikas kräftigen.

Wenn wir einen Gesamteindruck aus dem schönen Band wiedergeben wollen, so ist es wohl die Fest; Stellung; das Jahr 1958 hat den Interessenten fühlbar gemacht, wieviel Arbeit an der Geschichte Karls V. den heutigen Forscher noch erwartet!

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