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Terzinen, KA und Mikrophone

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Unter dem bezeichnenden Titel „Fügung und Widerstand“ hält der österreichische Schriftsteller und katholische Kulturpoliitiiker Rudolf Hanz Rückschau auf ein Leben in einer bewegten Zeit — ein Leben, das er so gerne Terzinen geweiht hätte, in dem aber die Mikrophone eine so große Rolle spielten und der Ehren- beziehungsweise Sorgenstuhl eines Präsidenten der Katholischen Aktion nicht fehlte. Von seinem geliebten Heim auf dem Hungerberg bei Döbling geht der Blick zurück. Er erreicht das heimatliche Waldviertel, wo Henz als Sohn eines Oberlehrers — den er selbst als einen „österreichischen Konformisten“ und „Abonnenten der Reichspost von Anbeginn“ charakterisiert — geboren wurde. Die Ubersiedlung der Eltern in das nahe Weinviertel konnte den erdnahen, bäuerlichen Konservatismus der Familie nur festigen. Dennoch schärft die Zeit bald den Blick für ihre Probleme. Schon im Knabenseminar in Holla-brunn sieht sich der junge Gymnasiast mitten in die Auseinandersetzung zwischen liberalen Kulturkämpfern und katholischen Neuromantikern gestellt. Während er selbst in der Schuhputzkammer die ersten Verse zu Papier bringt, widerstrebt es ihm, in der integra-listischen Kralik-Schule des alleinseligmachende Modell für einen katholischen Dichter zu erblicken. Eine „Empfindlichkeit gegen alles Gettohafte“ zeigt sich früh. Der erste Weltkrieg aber wird zum — um ein Modewort von heute zu gebrauchen — „existentiellen Erlebnis“ dieser suchenden Generation. Noch heute spürt man aus den Zeilen den Schock heraus, den die negative Begegnung des aus dem Krieg heimgekehrten Oberleutnants mit einem reichlich ungeschickten Vertreter des CV hinterließ. Während sich Henz den Doktor der Germanistik erarbeitet, reiht er sich in eine Richtung ein, die man cum grano salis als „katholischen Expressionismus“ apostrophieren könnte und die sich eine Zeitlang unter der Patronanz von Heinrich Suso Waldeck in der sogenannten „Leostube“ ein Zentrum schuf.

Aber die Kunst geht nach Brot. Vor dem Schicksal, ein kleiner Beamter in der Postsparkasse zu bleiben, der gelegentlich Artikel in der „Reichspost“ veröffentlicht, wird Henz durch Richard Schmitz, der damals nicht nur in der Regierung Seipel ein gewichtiges Wort mitzureden hat, sondern auch als Direktor dem Katholischen Volksbund vorsteht, bewahrt. Bald gerät der frischgebackene Kulturreferent des Volksbundes in die Feuerlinie der kulturpolitischen Auseinandersetzungen der Ersten Republik. Nachdem er als christlicher Volksbildner im Ravag-Beirat schon seine diesbezüglichen Erfahrungen sammeln konnte, übernimmt er 1931 die wissenschaftliche Abteilung des jungen Instituts. Ade, stille Dichterklause ...! Nur zum „Ausgleich“ wird Henz in Zukunft in ihr Einkehr halten können. So war es bis 1938, so ist es auch in noch vermehrtem Maße durch lange Jahre nach 1945 gewesen.

Besonders gern spricht Rudolf Henz in dem vorliegenden Buch selbstverständlich über seine literarischen Arbeiten. Darüber hinaus finden wir aber in dem Buch auch eine Reihe zeitgeschichtlicher Bezüge von großem Interesse. Wer zum Beispiel den Proporz für eine Erfindung der „großen Koalition“ und der Zweiten Republik hält, kann sich vom Verfasser darüber belehren lassen, daß dieser auch der Ersten Republik alles andere als fremd war. Dasselbe gilt selbst für den Ständestaat. Die Sendungen des Kanzlers und des Vizekanzlers waren nach Redezeit schon genau bemessen, als der Kanzler noch Dollfuß und der Vizekanzler Fey hießen (Seite 214). Der „Vierfrontenkrieg“ in der Ravag nach 1945 war der Kampf in einem und nicht dem unwichtigsten Abschnitt der großen Front, an der um Souveränität und Freiheit für Österreich gerungen wurde. Henz hat da wichtige Aussagen zu machen. Bitterkeit kommt auf, wenn der Verfasser auf manche persönlich enttäuschende Erlebnisse zu sprechen kommt. Kampfeslust lodert, wenn es den „Demagogen und Reklametrommlern auch in der Kunst und den so vielfältig maskierten Scharlatanen“ gilt.

Noch ist die Vorgeschichte und Geschichte der Katholischen Aktion nicht geschrieben. Vielleicht wird sie es auch nie. Um so wichtiger sind die Notizen, die ihr erster gesamtösterreichischer Präsident hier zu Papier gebracht hat. Trotz großer Zurückhaltung bricht doch in kleinen Bemerkungen eine über alle Gschaftlhuberei und Devotion erhabene männliche Gläubigkeit durch, und man erinnert sich an ein Erlebnis aus der Jugend, von dem Henz freimütig bekennt: „Zuviel Weihrauch widerstrebt mir noch heute“ (Seite 40).

So kennen wir Rudolf Henz; so mag er bleiben — noch viele Jahre.

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