6833194-1974_50_14.jpg
Digital In Arbeit

Denkend handeln

Werbung
Werbung
Werbung

Der österreichische Schriftstellerverband hat Rudolf Henz die Ehrenmitgliedschaft verliehen. Im Rahmen einer Feierstunde wurde dem Dichter die Urkunde überreicht Ihr Text weist darauf hin, daß Henz „in einer fatal desorientierten Zeit“ als „geschichtsbewußter Epiker, Dramatiker, Fern- seh-Autor und wortmächtiger Lyriker die Wertwelt einer sittlichen Persönlichkeit überzeugend gestaltet und ih einem tätigen Leben auf vielen Ebenen verteidigt“ hat.

Rudolf Henz, 1897 geboren und seit Jahren Präsident des österreichischen Kunstsenats, ist, trotz seiner vielen Ämter und Bürden, trotz seiner Jahre, einer der produktivsten unter den schöpferischen Menschen unseres Landes, ein Dichter, der gleichsam handelnd denkt und dem alles Handeln symbolisch ist. Ästhetisches Virtuosentum ist ihm fremd, ja verdächtig. Seine Schaffensquelle ist der Reichtum der Welt und das Tagwerk. So wie Urzidil, der in den Jahren tiefster Erniedrigung sich als Lederarbeiter sein Brot verdiente, ist auch Henz, obgleich seine Kunst von ganz anderen Voraussetzungen ausgeht und anderen geistigen Gesetzen verpflichtet ist, dem Handwerk verbunden: während des Zweiten Weltkrieges war er als Glasmaler und Restaurator tätig. Einer seiner schönsten und innerlich reichsten Gedichtzyklen, „Bei der Arbeit an den Klosterneuburger Scheiben", kündet davon.

Das Handwerk lehrte Henz eine heilige Nüchternheit, aus der ihm fortan eine Kraft zuwuchs, die ihn nie zum Routinier werden läßt. Seine Leser wissen dies zu schätzen. Als ein Beweis dafür mag angeführt werden, daß sein vor mehr als drei Jahrzehnten erstmals publizierter Roman um Walther von der Vogelweide, „Der große Sturm“, nun in dritter, unveränderter Auflage wieder erscheinen konnte und nichts von seiner Wirkungskraft, von seiner Effizienz eingebüßt hat.

Die Stationen seines Lebens brauchen wir nicht erst aufzuzeigen: Kindheit im Waldviertel, Sohn eines Lehrers, im Ersten Weltkrieg Offizier in einem bosnischen Regiment. Studium der Germanistik, Dissertation über Jean Paul. Direktor der Wissenschaftlichen Abteilung der Ravag. 1938 aus dem öffentlichen Dienst entlassen. 1945 Programmdirek tor der Ravag. Das Burgtheater spielt seinen „Joseph II.“ und das Paulus-Drama „Die große Entscheidung“, das „Wächterspiel“, das auch ins Flämische übersetzt wurde, steht auf dem Programm zahlreicher Laienbühnen.

Zu den wesentlichsten Büchern von Henz zählt das visionäre, 12.000 Terzinen umfassende Epos „Der Turm der Welt“ (1951), in dem uns der Dichter durch die furchtbaren dämonischen Reiche der Blinden, der Tauben und der Stummen führt, tun dann um so machtvoller die Möglichkeit des Heils und der Erlösung, die Freiheit der Gotteskindschaft zu offenbaren.

Kompromißlos bekennt sich Henz zur Ordnung. Er glaubt, daß es gerade in dieser Zeit der Verwandlungen und des Zerfalls dem Dichter aufgetragen ist, „das Chaos … nicht noch zu mehren oder auch nur zu registrieren, sondern es zu bändigen und Ordnung zu setzen.“ Inmitten der Sinnlosigkeit erfährt er den Sinn des Lebens, sieht er sein Amt in der Erfüllung dreifacher Pflicht: im Verkünden, Rühmen und Beschwören. Lob zollt er selbst der Angst, weil sie „wieder reinigt“, und noch Gefahr wird ihm zum Gewinn, „mitten im Gebrüll“ erfährt er „den klaren Sinn, der nach der Mitte weist“.

Auch in seinem jüngsten Band der „Neuen Gedichte“ (Osterr. Verlagsanstalt) zeigt sich, wie die Logik der Kunst mit der Religion bei Henz eine unlösbare Einheit bindet, mit ihr identisch ist. Was in diesen ironisch tin gierten, aber bitterernsten Gedichten zum Vorschein kommt, ist ein Gegenstand des Glaubens, auch wenn dieser nicht stets sofort als solcher wahrgenommen wird. Das Wissen um die Ohnmacht des Geistes quält den Dichter, er fragt sich, was er, Vers um Vers schreibend, geleistet hat: „Keine einzige Bombe verhindert, nicht einmal einen Pistolenschuß, die Lügen vor meinem Fenster.“

Alle Spuren sind zertreten, die Wegzeichen zerschlagen. Aber noch immer liegen vor dem Dichter, liegen vor uns ‘ Himmel und Erde. Vom Flitter entkleidet, treten uns die Heiligen entgegen, eingehüllt in Verse, daran die Wirklichkeit webte und die Stille, die sogar die dröhnenden Lügen der Seelenkäufer in allen Kontinenten übertönt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung