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Verbeugungen in Kichtung Kom

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Und so lesen wir in der übrigens gut gemachten und eines gewissen Horizonts nicht entbehrenden Parteiwochenzeitschrift „Polityka“, vom 2. Juni, einen ganzseitigen Artikel, „Der Vatikan und der Friede“, der ganz auf das eben geschilderte Leitmotiv abgestimmt ist. Gomulka führt in einer großen programmatischen Rede auf dem Polnischen Friedenskongreß, am 12. Juni, den Papst als Bundesgenossen im Kampf um den Weltfrieden an; er zitiert den zweimaligen Appell Johannes' XXIII. an die Staatslenker und fügt hinzu:

„Aus diesen Worten erklingt der Aufruf zur friedlichen Koexistenz der Staaten und zur Verwertung der Errungenschaften der Wissenschaft und der Technik zum Besten des Menschen. Dieser kriegsgegnerische Standpunkt des Oberhauptes der katholischen Kirche stimmt mit der friedlichen Politik der sozialistischen Staaten überein: Ungeachtet aller Unterschiede, die den Marxismus-Leninismus von der Philosophie trennt, von der die Tätigkeit der Kirche geleitet wird. Der Kampf um den Frieden verbindet und soll _.plle Manschen miteinander verbin-. den, die. eines, guten; Wtteffiplffi unabluivgig von..ihrer. Weltan-schauung.

Noch etwas anderes: In einem vielbemerkten Aufsatz, wiederum aus der „Polityka“ — vom 26. Mai -, fordert der kommunistische Philosoph Ilowiecki, man solle an den Hochschulen weitgehend die thomistische und überhaupt die katholische Philosophie studieren. Es sei nicht wahr, daß unter den Studenten der Existentialismus zahlreiche Anhänger besitze. Ernst zu nehmender Widerpart des marxistischen Denkens sei nur die zeitgenössische neothomistische Weltanschauung. Mit deren Anhängern müsse man diskutieren und auch von so bedeutendem Gedankengut wie dem P. Teilhards de Chardin gebührend Kenntnis nehmen.

Das sind Töne, die man — ausgenommen vielleicht in Ungarn — kaum in anderen Volksdemokratien in Farteizeitschriften entdecken wird, während die vorher erwähnten, rein politischen Artigkeiten an die Adresse des Papstes häufig und meist mit Angriffen auf den heimischen Episkopat verknüpft sind.

Doch selbst derlei taktische Verbeugungen in der Richtung zur Ewigen Stadt und der kultivierte Ton der auf hoher geistiger Ebene sich bewegenden Polemiken mit den Vertretern der christlichen Weltanschauung sind nicht nach dem Geschmack der Parteiapparat-Leute mittleren und niederen Ranges oder des Teiles des Parteivolks, der, in den alten, grimmig und stur religionsfeindlichen Kategorien denkend, dem auch mit entsprechender Grobheit Ausdruck gibt. In derselben „Polityka“, die wir mehrfach zitierten, stand am 7. April an der Spitze der Nummer die Zuschrift einer Amazone des Unkultur-kampfes. Darin heißt es unter anderem: „Wäre es nicht besser, wenn in jedem Lande die Kirchen nur den nationalen Behörden unterlägen und wenn das Volk die Anfo-derungen vorschreiben könnte, in bezug auf die sittlichen Werte, die es von denen verlangt, die Herrschaft über die Seelen ausüben wollen ...? In den heutigen Zeiten ist die Existenz von Klöstern und Orden ein völliger Unsinn, und im polnischen Staat, der zum Sozialismus fortschreitet, sollen sich keine Schulen,

Kindergärten unter der Leitung der Geistlichkeit befinden.

Sich an diese Fanatiker zu wenden wäre wohl angezeigter und jedenfalls mehr begründet gewesen, als, parallel mit den zahmen Komplimenten an den päpstlichen Friedenswillen, eine Kampagne gegen den so gemäßigten Primas zu orchestrieren, die mit dem giftgeschwollenen Auftakt des führenden kommunistischen Publizisten Artur Starewicz im — offiziell parteilosen — „Zycie Warszawa“ vom 28. April einsetzte, Mitte Mai von dessen Kollegen Henryk Sikorski im Organ der polnischen Freidenker „Argumenty“ fortgesetzt wurde und in dem Artikel „Über die Duldsamkeit“ des „Zycie Warszawa“ vom 12. Juni gipfelte. Was war denn geschehen, um die armen, verfolgten Kommunisten und Atheisten so außer Rand und Band zu bringen? Am 15. April hatte der Kardinal in seiner Palmsonntagspredigt die Gläubigen ermahnt, sich durch die vom Staat unterstützte atheistische Propaganda nicht beirren zu lassen. Eine Woche später, am Ostersonntag, bezeichnete der Primas den Atheismus als „Krebs der Seele“. Er erinnerte ferner an die Treue, die Polens Priester stets ihrem Volk und ihrem Staat bewahrt hätten, an die Verfolgungen, die sie dafür unter fremden Okkupanten erlitten. Das alles war Antwort auf eine neue Offensive der Kirchenfeinde, die von Zeit zu Zeit zum Sturm blasen, da sie die bisher nicht erschütterte Anhänglichkeit der gewaltigen Mehrheit Polens ans Christentum nicht ertragen.

Gerade weil Wyszynski als Patriot unangreifbar ist, suchen die antikirchlichen Fanatiker den Kirchenfürsten aus „inneren“ Gründen anzuschwärzen. Das neueste Schlagwort ist, er störe den Frieden zwischen Gläubigen und Ungläubigen. Er hetze zum Haß auf, erklärt Sikorski, und zwar — was Einblick in die tiefenpsychologischen Urgründe des Feldzugs eröffnet —, weil „sich Anzeichen der Gleichgültigkeit gegenüber der Religion mehren“ und er deshalb ein Kriegsklima schaffen möchte. In Wahrheit verabscheuen diese Kampfhähne den Episkopat und den Klerus eben darum so sehr, weil diese noch immer einen unvergleichlich stärkeren Einfluß bei der Mehrheit der Nation genießen als die Partei. Dieses Faktum ärgert die Kommunisten im besonderen aus vier Ursachen: es zwingt sie, mit der Kirche nicht so unsanft umzuspringen, wie das die Bolschewiken in anderen Volksdemokratien durften; es behindert die mit allen staatlichen Druckmitteln betriebene einseitig marxistisch-kommunistische Erziehung der Kinder und der Jugend; es stört die.Verbreitung der Geburtenkontrolle, und es erweist sich als Mauer gegen die Kommunisierung der Dörfer.

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