Johannes Klietmann - © Tanja Neubäck

Autismus: Eine Stadt, zwei Planeten

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Erst vor sechs Jahren erfuhr Johannes, warum ihm das Gewusel der Großstadt oft zu viel wird. Er ist im Autismus-Spektrum und nimmt deshalb die Welt anders wahr. Eine Reportage über unsichtbare Barrieren.

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Erst vor sechs Jahren erfuhr Johannes, warum ihm das Gewusel der Großstadt oft zu viel wird. Er ist im Autismus-Spektrum und nimmt deshalb die Welt anders wahr. Eine Reportage über unsichtbare Barrieren.

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Kurzfristige Planänderungen. Nicht wissen, bei welcher Straßenbahnstation die Person neben ihm aussteigen will. Das einengende Gefühl von Schuhsohlen auf seinen Füßen. Das sind einige der Dinge, die Johannes nicht mag. Wrong-Planet-Syndrome nennt er es. Autismus-Spektrum-Störung nennt es die Medizin.

Es ist ein warmer Frühlingsmorgen. In Jeans und blauer Jersey-Weste wartet der 40-jährige Johannes Klietmann vor dem Naturhistorischen Museum in Wien, das erst in knapp zwei Stunden öffnen wird. Die schwarzen Gläser seiner Sonnenbrille könnten bedrohlich wirken, wäre da nicht sein freundliches Lächeln. Johannes hat sich bereit erklärt, einen Einblick in seinen Alltag in der Großstadt zu geben. Er ist es gewohnt, zu vermitteln, wie seine Wahrnehmung funktioniert. Seit 2017 arbeitet er als Keynote-Speaker bei Specialisterne, einer Organisation, die neurodiverse Talente an den ersten Arbeitsmarkt vermittelt. Für Österreich gibt es keine exakten Zahlen, doch laut internationalen Schätzungen ist im Durchschnitt ein Prozent der Gesamtbevölkerung eines Landes im Autismus-Spektrum. Johannes ist hier also einer von schätzungsweise 87.000 Personen mit dieser Diagnose.

Kaum Ruheoasen

Wie etwa zwei Millionen andere Menschen lebt Johannes in Wien. Dabei handelt es sich um einen einzigen geographischen Ort, aber zugleich je nach Wahrnehmung um zwei völlig verschiedene Planeten. Aufheulende Motoren, flimmernde Werbescreens, ratternde Presslufthämmer: Auch für neurotypische Menschen – also jene ohne Autismus-, ADHS- oder ähnliche neurologische Diagnosen – ist die Großstadt oft laut und überfordernd. Für Johannes ist sie allerdings noch um ein Vielfaches chaotischer und anstrengender, überbordend mit Lärm, visuellen Stimuli und verwirrenden sozialen Konventionen.

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