"Die Freude ist da, das ist schon sehr viel"

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Und? Bleiben Sie heute länger hier?" Im Garten der Schönbrunner Straße 295 werden Stühle zusammengerückt, neugierig Fragen gestellt, Schokolade wird gereicht. Obwohl hier im Pflege-und Altenheim nahe Schloss Schönbrunn der Altersdurchschnitt bei 90 Jahren liegt, hat man jungen Besuchern gegenüber keine Berührungsängste. Vielleicht weil man Gäste wie die 21-jährige Magdalena Haumer hier öfter sieht. Die Kindergartenpädagogin sitzt in einer Runde älterer Damen und Herren, die den warmen Sommernachmittag draußen verbringen. Josef Taschner ist einer von ihnen. Der 83-Jährige kann kaum noch gehen, das Sprechen fällt ihm schwer. Doch wenn ihn die junge blonde Frau freundlich anlächelt, strahlt er. "Auch wenn ihm die Worte nicht immer einfallen - gemeinsam kommen wir drauf, was er meint", sagt Haumer.

Die 21-Jährige ist eine von rund 70 Freiwilligen im Alter zwischen 16 und 35 Jahren, die in Pflege-und Altenheimen der Caritas Zeit mit den Bewohnern verbringen. Vermittelt wurde sie von der "youngCaritas", einer Einrichtung der Hilfsorganisation für junge Menschen, die sich sozial engagieren wollen. Seit Anfang Juni sehen einander Haumer und Taschner einmal die Woche für ein paar Stunden. Dann liest sie ihm aus der Zeitung vor, erzählt von ihrem Arbeitstag oder spaziert mit ihm durch den Garten. Und das, obwohl die beiden nicht miteinander verwandt sind, ganze 62 Jahre zwischen ihnen liegen und Haumer keinen Cent bekommt.

"Warum junge Menschen sich bei uns melden, hat unterschiedliche Gründe", sagt Ursula Weitzel. Die Psychologin begleitet die Freiwilligen im Haus Schönbrunn: "Neuerdings melden sich vermehrt Jugendliche mit Migrationshintergrund, die auch ihre Sprachkenntnisse verbessern wollen." Andere wiederum seien in der beruflichen Orientierungsphase und wollen Erfahrung im Sozialbereich sammeln. "Und dann gibt es jene, die -so banal es klingen mag -etwas Gutes tun wollen." Das dachte sich auch Haumer: "Ich wollte meine Zeit sinnvoll einsetzen, etwas für die Allgemeinheit tun." Beruflich habe sie viel mit Kindern zu tun, die Zeit im Haus Schönbrunn sei für sie eine Art Gegenprogramm: "Meine Großeltern sind fit, aber das kann sich ändern. Deshalb finde ich es als Bereicherung, hier das Thema Alter von einer anderen Seite kennenzulernen."

Doch was nimmt die ältere Generation von den Begegnungen mit der Jugend mit? Frieda Taschner zögert, bevor sie stellvertretend für ihren Mann antwortet: "Die Zeit mit Magdalena ist für Josef sehr aufbauend. Die Jugend ist sein Ein und Alles." Auch wenn ihr Mann hin und wieder die Namen seiner Gäste vergesse: "Die Freude ist da. Das ist in seinem Zustand schon viel."

emotionales erlebnis

Die Erfahrungen, die Jung und Alt miteinander machen, seien individuell sehr unterschiedlich, erklärt Weitzel. "Für eine bettlägerige Person kann die Begegnung ein ganz anderes emotionales Erlebnis darstellen als für jemanden, der sich über einen Spaziergang am Naschmarkt freut." Im Prinzip könne jeder mitmachen -egal welchen Alters, unabhängig von Vorerfahrungen mit der jeweiligen Generation oder des körperlichen Zustands der Älteren. "Wenn die persönliche Neigung da ist und es von beiden Seiten passt, lässt sich Kontakt eigentlich immer herstellen." Damit die Begegnungen fruchten, führt Weitzel zu Beginn mit den Interessenten ein Vorgespräch, dann folgen eine einmonatige Probephase und ein Reflexionstermin. Danach wird entschieden, ob das Engagement fortgeführt wird. Und nicht alle bleiben: "Wenn die persönlichen Erwartungen und Wünsche für das freiwillige Engagement nicht mit den Gegebenheiten übereinstimmen, dann rate ich dazu, sich auch andere Bereiche anzusehen. Schließlich sollen die Begegnungen Spaß machen." Doch meistens werde sie davon überrascht, wie gut sich die Beziehungen entwickeln: "Kürzlich kam bei einem Vorgespräch heraus, dass ein junger Herr bereits die Generation 50 als alt bezeichnet. Da war ich gespannt, wie er sich bei uns tun wird -und dann hin und weg, wie locker und offen er auf die Leute zuging."

Auch Haumers Bild hat sich mittlerweile geändert: "Mir war klar, dass es Ältere gibt, die nicht mehr so viel können. Umso schöner war es zu sehen, dass alle versuchen -egal wie es ihnen geht -mitzumachen." Für die beiden steht fest, dass sie einander nach der Probephase weiter treffen wollen. Ihrem Mann wünscht Frieda Taschner, dass noch mehr Menschen wie Haumer vorbeikommen: "Je öfter Jung und Alt zusammenkommen, desto besser."

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