Transplantation - © Foto: Unsplash/Diego PH

Transplantation: "Ein besonderer Akt der Nächstenliebe"

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Die FURCHE sprach mit dem Universitätsprofessor für Moraltheologie Günter Virt über ethische Grenzen im Rahmen von Transplantationen.

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Die FURCHE sprach mit dem Universitätsprofessor für Moraltheologie Günter Virt über ethische Grenzen im Rahmen von Transplantationen.

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DIE FURCHE: Wie sehen Sie als Ethiker die Transplantation der Hände für Theo Kelz? Ist hier eine ethische Grenze überschritten?
Günter Virt: Die ethische Grenze ist dort überschritten, wo der Mensch in seiner Würde und Integrität verletzt wird. Das muß man im Detail diskutieren und abwägen, was dafür und dagegen spricht. Es ist ganz sicher ein ethisch vertretbares Ziel der Medizin einem Menschen, der in so gravierender Weise durch ein Verbrechen verletzt wurde, zu helfen.

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DIE FURCHE: Heißen Sie diese Händetransplantation für Theo Kelz also gut?
Virt:
Ja, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Theo Kelz sollte so gut vorbereitet sein, daß er diese Hände als Spende annehmen kann und auch weiß, welche Belastungen auf ihn zukommen können. Die zweite Voraussetzung ist, daß der Spender auch wirklich tot war, also der Gesamthirntod eingetreten ist. Die derzeit international diskutierte Frage ist, ob nicht auch ein Teilhirntod genügt. Ethisch begründet ist natürlich nur der Ganzhirntod.

DIE FURCHE: Wie ist das in Österreich geregelt?
Virt: Es muß mit allen Methoden der Wissenschaft der Tod des gesamten Gehirns festgestellt werden. Das ist in Österreich sicher gewährleistet.

Theo Kelz - In der Universitätsklinik Innsbruck wurden Theo Kelz zwei fremde Hände erfolgreich transplantiert. Bei der Explosion einer von Franz Fuchs gelegten Rohrbombe wurden dem Kärnter Polizisten am 24. August 1994 beide Hände abgetrennt. - © Foto: APA/Bernhard Grossruck
© Foto: APA/Bernhard Grossruck

In der Universitätsklinik Innsbruck wurden Theo Kelz zwei fremde Hände erfolgreich transplantiert. Bei der Explosion einer von Franz Fuchs gelegten Rohrbombe wurden dem Kärnter Polizisten am 24. August 1994 beide Hände abgetrennt.

DIE FURCHE: Wie steht die Kirche grundsätzlich zu Transplantationen?
Virt: Hier muß man unterscheiden, woher die Organe kommen. Sie können von einem Lebenden kommen, von einem Toten oder vielleicht eines Tages von einem Tier. Bei der Spende von einem Lebenden hat die Kirche in den 60er Jahren ihre Meinung geändert. Zunächst einmal war man sehr lange der Überzeugung, daß das auf keinen Fall in Frage kommt, weil der Mensch kein Recht hat, über die Integrität seines Leibes zu verfügen. Heute ist man der Ansicht, wenn ein Leben nur durch die Spende einer Niere oder des Knochenmarks eines anderen Menschen gerettet werden kann, ist das ein Akt besonderer Nächstenliebe. Es gibt es eine gemeinsame Erklärung der katholischen Bischofskonferenz und evangelischen Kirche in Deutschland, die befürwortet Organtransplantationen innerhalb der ethischen Grenzen.

DIE FURCHE: Wie werden diese ethischen Grenzen definiert?
Virt: Wenn eben nicht die Menschenwürde und keiner der Beteiligten in seiner Integrität verletzt wird.

Wann ist eine medizinische Methode so gut ausgereift, daß dem Patienten geholfen werden kann und er nicht zum Versuchskaninchen wird?

DIE FURCHE: Wie ist das bei der Organentnahme von Toten?
Virt:
Wir sagen "Organspende". Die Sprache stellt schon klar, daß niemand ein Anrecht auf die Organe eines anderen hat. Spende muß Spende bleiben. Dem Toten gebührt Pietät, aber er ist kein Subjekt mit Menschenwürde in Person mehr. Natürlich kann jeder im Laufe seines Lebens ohne Angaben von Gründen Widerspruch gegen eine Organentnahme anmelden. Dieser Widerspruch wird im Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitswesen gespeichert und man kann sicher sein, daß, bevor ein Organ entnommen wird, dort nachgefragt wird, ob jemand Widerspruch angemeldet hat. Angehörige haben wiederum das Recht auf menschenwürdige Weise vom Leichnam Abschied zu nehmen.
Die nächste Frage ist immer jene nach dem Zeitpunkt, die auch bei Theo Kelz gestellt werden muß. Wann ist eine medizinische Methode so gut ausgereift, daß dem Patienten geholfen werden kann und er nicht zum Versuchskaninchen wird? Vor einigen Jahren haben Mediziner etwa ein Pavianherz auf ein Kind übertragen. Das war für mich eindeutig ein ethisch unverantwortlicher Menschenversuch. Bei der Xenotransplantation etwa, also der Organentnahme von Schweinen, sehe ich auch persönlich eine ethische Grenze.

DIE FURCHE: Es gibt viele neue medizinische Methoden, etwa Gentechnik und Klonen. Läuft der medizinische Fortschritt der Ethik davon?
Virt:
Wenn man von Ethik erwartet, daß sie für alles sofort eine fertige Lösung aus dem Ärmel schüttelt, dann hat man nicht verstanden, was Ethik kann oder nicht kann. Ethik kann helfen, die sittlichen Urteile kritisch zu überprüfen. In Konfliktsituationen werden wir immer abwägen müssen. Die Ethik stellt Methoden zur Urteilsfindung zur Verfügung. Insofern ist sie eben auch auf die Zukunft hin ausgerichtet. Wenn Forscher die richtige Einstellung haben, den Respekt vor der Würde eines jeden Menschen, dann werden sie auf Grund der ethischen Tradition besser entscheiden können. Generell sollte Ethik aber nicht erst mit Ergebnissen konfrontiert werden, sondern bereits bei den Weichenstellungen, etwa in welche Richtung geforscht wird, beteiligt sein. Das sind Wertentscheidungen.

DIE FURCHE: Man bekommt zur Zeit den Eindruck, daß vielen Wissenschaftern die Ethik eher lästig ist. Alles was machbar ist, wird gemacht.
Virt:
Mir ist völlig klar, daß der Mensch alles was er machen kann, auch irgendwann einmal macht, mag es für Ethiker noch so unsittlich sein. Atombomben über Städte hat der Mensch ja schließlich auch schon einmal abgeworfen. Das war menschenverachtend. In diesem äußerst komplexen medialen Geschehen geht die Ethik leicht unter.

Günter Virt

ist Universitätsprofessor für Moraltheologie an der Uni Wien.

ist Universitätsprofessor für Moraltheologie an der Uni Wien.

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