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Die vier Revolutionspfeiler

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Das Regime selbst stützt sich auf vier „revolutionäre Klassen“: auf die Soldaten, die heutige Führerklasse Burmas, die alle wichtigen Posten innehaben; so sind zwölf der insgesamt 13 Minister des Kabinetts Uniformtragende, nur der Außenminister ist Zivilist; ferner auf die Arbeiter, die unter dem „burmanesi-schen Sozialismus“ kein schönes Leben haben; auf die Bauern, für die der Sozialismus ä la Burma willkommen ist, denn sie besitzen durch die vom Staat mild durchgeführte Bodenreform privaten Grund und Boden; und schließlich auf die Studenten, die auch gewisse Sonderrechte genießen, da sie politisch traditionell sehr einflußreich sind. Die Herrschergruppe Ne Wins besteht ausschließlich aus Militär, darunter sind Oberst Ton Yu Saiy und Brigadegeneral Tin Pe die zwei wichtigsten Vertrauensleute.

Die weiße und die rote Flagge

Unter dieser Militärdiktatur ist die Pressefreiheit kaum noch vorhanden. Insgesamt wurden mehr als 50 Zeitungen und Zeitschriften in englischer, chinesischer, indischer und pakistanischer Sprache eingestellt. Doch Ne Wins Maßnahmen können das Volk keinenfaUs zum Schweigen bringen. Die Leute, die nicht mehr frei reden können, gehen in die Berge oder in den Dschungel und greifen ganz einfach zu den Waffen. Rebellen verschiedener Rassen und Parteien sind überall.

Die Kommunisten kämpfen seit 20 Jahren mit Gewalt gegen die Ranguner Regierung. Sie sind von Anfang an schon in zwei Flügel gespaltet — die KP der „Weißen Flagge“ unter Takin Tantun ist unter chinesischer (früher staldnisti-scher) Observanz, deren Partisanen ihren Aktionsbereich in Nord- und Mittelburma haben und die Grenzgebiete an Laos, Indien und China kontrollieren. Diese promaoistischen Kommunisten versuchten noch vor »einem Jahr folgende Taktik anzuwenden: Kampf um den legalen Status sowohl in der Union of Burma als auch in der Einheitsfront der PSPB; Versuch, das Programm der PSPB sowie deren buddhistisch-marxistische Philosophie durch Leninismus zu erklären; Beschleunigung der weiteren Linkstendenz des

„Revolutionskomitees“ von Ne Win, Takin Su ist trotzkistischer Renegat sowie seine KP der „Röten Flagge“; sie behauptet, Mao Tse-tung sei ein „Revisionist“ und kein Marxist; sie wird jetzt von Moskau mit allen Mitteln umworben. Doch weil sie Trotzkisten sind, bleitot der Versuch des Kremls nicht sehr erfolgreich. Die Bewegungszone der „Roten Flagge“ liegt östlich des Irawady-Flusses in Südlburma und ist eine ständige Bedrohung für die Hauptstadt.

Am Rande des Bankrotts

Alle diese Rebellen machen Burma zu einem Hexenkessel. Ne Win verfügt zwar über eine Streitmacht von zirka 200.000 Mann, wovon aber nur 60.000 Mann kampffähig sind, 30.000 Mann Militärpolizei und 40.000 Mann Katschinkorps (Rückgrat der Streitkräfte Ne Wins, aus katholischen Katschin rekrutierte Söldner), kann aber trotzdem den zahlenmäßig viel stärkeren Rebellen nicht Herr werden. Innerhalb von drei Jahren wurden über 2000 politische Häftlinge ins Zuchthaus geworfen.

Wirtschaftlich steht Burma schon am Rande des Bankrotts. Die Inflation beziehungsweise Devalvation nimmt immer größeren Umfang an. Durch die mehrmalige „Währungsreform“ sind viele Burmanesen zugrunde gegangen. Allein in Rangun gibt es 1,8 Millionen Arbeitslose. Die Burmanesen leben bis heute unter dem Rationssystem. Die staatseigenen „People's Shops“ können die Bedürfnisse des Volkes nicht decken. Der Schwarzmarkt macht dagegen sehr gute Geschäfte.

Konflikt mit Peking

Die „Nationalisierungspolitik“ Ne Wins ließ auch 129 ausländische — hauptsächlich chinesische — Schulen konfiszieren. Diese Maßnahmen führten zum direkten Konflikt mit Peking; denn die meisten dieser Schulen sind pro-Peking eingestellt. Doch der Konflikt mit China hat schon früher seinen Anfang genommen. Im September 1965 besetzten die Truppen Chinas den Kokang State östlich des Saluen-Flusses, der früher zu China gehörte. Am 13. Februar 1967 beschuldigte die „Kampfzeitung“ der Pekinger Rotgardisten Ne Win, mit Liu Schao-tschi kollaboriert zu haben.

Die immer heftigere Tätigkeit der prochinesischen Kommunisten und die wirtschaftlichen Mißstände halben

Ne Win, der selbst chinesischer Abstammung ist, endlich dazu geführt, einen neuen Weg zu suchen. So besuchte er die Sowjetunion, die USA, Großbritannien, Japan und Thailand, um finanzielle Hilfe zu erbitten. Von den USA kassierte er Ende Juli 1966 gleich 80 Millionen Dollar. Das Geld spielte tatsächlich eine Rolle. Nach dessen Empfang verbot Ne Win den Studenten und Bürgern, antiamerikanische Demonstrationen zu veranstalten. Auch von Japan erhielt Ne Win eine Summe als Hilfe in Form von Waren. Um seinen politischen Ruf in der Welt zu verbessern, erlaubte er, 44 Sorten landwirtschaftlicher Erzeugnisse frei zu handeln. Außerdem ließ er 60 kranke politische Häftlinge, darunter U Nu und V Ba Shwe, unter Kaution ins Krankenhaus gehen.

Burma ist kein armes Land, aber unter der Militärdiktatur Ne Wins mußte es „um ein Jahrhundert zurückbleiben“. Muß Burma noch immer trotz seiner goldenen Schüssel betteln?

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