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Mit französischen Augen

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Die gegenwärtigen Bemühungen der österreichischen Diplomatie, die Verhältnisse zu den sozialistischen Staaten im Donauraum zu normalisieren und eine Öffnung nach dem Osten zu wagen, bedeutet für Paris

einen originellen Beitrag zur Bildung eines Europas vom Atlantik zum Ural. Nach den Vorstellungen de Gaullea kann der Nachkriegszustand in Europa nur durch ein System des Friedens und der Sicherheit, basierend auf den nationalen Eigenheiten und der Souveränität der Staaten, ersetzt werden. In diesem Sinn versucht die gaullistische Außenpolitik auch drie Beziehungen seines wichtigsten europäischen Partners, der Bundesrepublik Deutschland, zu den östlichen Staaten entsprechend zu verbessern. Diese Bemühungen — oft mißgedeutet, wie die Polenreise des Generals — finden in der Politik des Ballhausplatzes eine wertvolle Ergänzung. Nach Meinung von Pariser interessierten Kreisen kommt Österreich eine wichtige Brückenposition zu, und es ist nicht zu vermessen, von einer Parallelität der Außenpolitik in Richtung Südosteuropa zu sprechen.

EWG: Zurückhaltung

Nun wünscht Österreich seit Jahren, ein Arrangement mit der EWG zu treffen und stößt dabei in Paris auf ein gewisses, aber kein sehr freudiges Verständnis. Denn man fragt sich in Frankreich allen Ernstes, ob das Heil Österreichs wirklich nur in Brüssel liegt oder ob nicht Formen gefunden werden könnten, die den Erwartungen der österreichischen Wirtschaft entsprechen, ohne die Neutralität in Frage zu stellen. Ein neutraler Staat, der durch den Staatsvertrag an gewisse internationale Regeln gebunden ist, besitzt eben nicht dieselbe Beweglichkeit, wie die bisherigen Mitglieder der EWG, die in erster Linie ihren nationalen Interessen nachkommen. Hat Österreich beispielsweise alle Kon-

Sequenzen des gemeinsamen Agrar-marktes studiert, wie weit ist die österreichische Landwirtschaft bereit, vollständig integriert zu werden? Ist Österreich in der Lage, die Agrarausgleichskassen der EWG

mitzuspeisen? Es tauchen eben technische sehr schwierige Probleme auf, die mit dem Wunsche Österreichs, der EWG in irgendeiner Form beizutreten, nicht unbedingt harmonieren. Eines darf festgehalten werden: Die Kandidatur Österreichs wird in Paris in keiner Weise unter dem Gesichtspunkt eines sowjetischen Vetos studiert. In der Seinestadt zirkulieren Informationen, nach denen der sowjetische Außenminister Gromyko erst kürzlich bei Couve de Murville auf die Kandidatur Österreichs zur EWG zu sprechen gekommen ist. Der Chef des Quai d'Orsay versuchte allerdings mit Nachdruck, die russischen Befürchtungen zu zerstreuen.' Die Russen erklärten den Franzosen ihre Reserven und umrissen die Gefahr, daß Österreichs Beitritt zur EWG den Status quo in Mitteleuropa zugunsten der Bundesrepublik Deutschland zerstören würde. Einige Stimmen aus Österreich dürften allerdings zu solchen Mißverständnissen zusätzlich beigetragen haben.

Diese reservierte Stellung Frankreichs bezüglich der Assoziierung Österreichs zur EWG wird durch eine streng neutrale Haltung in der Südtirolfrage ergänzt. Nach Meinung -von Paris handelt es sich um ein bilaterales Problem, wobei auch Rom zu Konzessionen bereit sein sollte. Das bekannte Junktim von „Bozen nach Brüssel“ wird von Frankreich in keiner Form gestützt. Die bekannte Abendzeitung „Le Monde“, manchmal das Sprachrohr des Quai d'Orsay, lehnte in diesem Sommer in einem inspirierten Artikel solche Tendenzen Italiens ab. Der Terrorismus in Südtirol wird natürlich streng verurteilt. Ein Vergleich mit Verhältnissen in Algerien oder Zypern wäre in keiner Weise angebracht.

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