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Vom Norden gesehen

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Die nordischen Staaten erlebten in den letzten Wochen eine ganze Reihe von bedeutungsvollen Staatsbesuchen, bei denen — mehr oder weniger soharf akzentuiert — auch die Frage naoh dem Bestand und dem künftigen Schicksal der EFTA gestellt wurde. Der westdeutsche Bundeskanzler sprach zu diesem Thema in Aarhus und Kopenhagen, Bundespräsident Schärf besuchte Dänemark und Norwegen, Chruschtschow und einige seiner engsten Mitarbeiter diskutierten mit ihren Gastgebern in der dänischen Hauptstadt, in Stockholm, auf Harp- sund und in Oslo vor allem anderen Wirtschaftsfragen, Pompidou fand unmittelbar nachher in Stockholm freundliche Worte für die nordischen Länder und kündigte sogar einen Besuch de Gaulles für das nächste Jahr an (was vor allem in Kopenhagen, dessen Außenamt davon noch keine Ahnung hatte, große Verwunderung erregte!) und Tito besprach mit Kekkonen eingehend die Lage des EFTA-assoziierten Landes Finnland am Rande der sowjetischen Machtsphäre. Der Norden scheint als Reiseziel interessant geworden zu sein, was nicht gerade auf eine verminderte Wertschätzung seiner Politik hindeutet. Und das ist, militärpolitisch gesehen, die Politik der atomwaffenfreien Verteidigungsbereitschaft, und wirtschaftlich gesehen, das Bekenntnis zur Freihandelspolitik der Siebenländergruppe der EFTA mit dem assoziierten Finnland.

In das Ende dieser Besuchsperiode fiel die Ministerratskonferenz der EFTA in Edinburgh — es ist nur natürlich, zu untersuchen, wo die EFTA nun hält, welche Ergebnisse sie zu erzielen vermochte und welche Zukunftsaussichten ihr zugestanden werden. Wir stützen uns bei unserer Darstellung teils auf bereits veröffentlichte Wirtschaftsstatistiken, teils auf jüngste Darlegungen maßgebender Politiker und Staatsmänner in den nordischen Ländern Europas.

Nach Edinburgh

Nach der Konferenz von Edinburgh wies Schwedens Handelsminister Lange darauf hin, daß die EFTA nun fast seit fünf Jahren arbeite und ihre zweifellos bedeutsamen Erfolge mit einem Minimum an administrativem Aufwand erzielen konnte. Das Zentralbüro in Genf habe kaum 100 Angestellte, während der Verwaltungsapparat der „Eurokraten” in Brüssel bereits tausende Beamte zähle. Entgegen in Österreich geäußerten Auffassungen („Die Presse” vom 13. Juli 1964) werde man nach Abschaffung der Zollschranken keineswegs ohne Aufgaben dastehen, sondern sich dann den so wichtigen Koordinationsfragen, Standardisierungsproblemen, Patentfragen, Preisuntersuchungen, der Sicherung der Konkurrenzfreiheit, der Koordinierung der Hilfe für die unterentwickelten Länder und ähnlichen Fragen zuwenden können. Der Frage des Brückenbaues zur EWG allerdings sei man in den fast fünf Jahren um keinen Schritt nähergekommen, und die große Aufgabe, die verheerenden Folgen eines Wirtschaftskrieges in Westeuropa zu vermeiden, sei geblieben.

Mit gemischten Gefühlen

Die Verlängerung des dänisch- deutsohen Handelsabkommens und die Vorträge Prof. Erhards über die Verpflichtung, ein größeres Europa zu schaffen als es die EWG heute darstellt, wurden zwar überall im Norden mit freundlichen Beifall aufgenommen, die skeptischen Nordländer zweifeln jedoch daran, ob die Politik der EWG maßgebend von solchen Gedankengängen bestimmt werden wird.

In dieser Situation sehen alle nordischen Staaten in der EFTA den besten noch verbliebenen Schutz, um so mehr, da die Erfolge der Freihandelszone nicht bestritten werden können. Beim Abbau der inneren Zölle hält man mit der EWG gleichen Schritt; der innere Handel stieg in den letzten vier Jahren um über 50 Prozent, der mit Nicht-EFTA-Ländern jedoch nur um ein Drittel. Dänemark erhöhte seit 1959 seinen EFTA-Handel um 51 Prozent und den Handel mit der übrigen Welt um 35 Prozent, die entsprechenden Zahlen für Norwegen lauten 38 und 32 Prozent und für Schweden 57 und 45 Prozent. Der Schwerpunkt des Interesses versohiebt sich immer mehr auf den EFTA-Raum. Das gilt auch für Großbritannien und sogar für Österreich, das in vier Jahren seinen Handel mit den EFTA-Part- nern um 88 Prozent erhöhen konnte, wobei dieser Trend auch heute noch ungebrochen weitergeht.

Es kann deshalb nicht ausbleiben, daß man im Norden die lebhaften Bemühungen Österreichs, zu einem Sonderabkommen in Brüssel zu gelangen, mit gemischten Gefühlen betrachtet und mit einer tüchtigen Dosis Skepsis. Direkt darnach gefragt, ob Dänemark die Politik Österreichs nachahmen wolle, antwortete Außenminister Per Haekkerup, daß eine Assoziierung Dänemarks mit der EWG gar nicht in Frage komme. Und zwar auch dann nicht, wenn Wien in Brüssel Erfolg haben sollte. Dänemarks Ausfuhr geht bereits zu Prozent in den EFTA-Raum und nur zu 27 Prozent in den EWG-Raum. Während der dänische Export im Monat Mai um 268 Millionen Kronen über dem desselben Monats 1963 lag, fiel der , Export in die EWG-Länder um 17 Millionen auf 280 Millionen Kronen, der EFTA-Export stieg dagegen um 36 Millionen auf 550 Millionen Kronen.

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