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Eine Bühne für Grillparzer

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Es ist schon recht merkwürdig, daß Österreichs größter Dramatiker weder in seinem Heimatland, noch in seiner Heimatstadt eine Stätte gefunden hat, an der man sich der permanenten Pflege seines Werkes widmet. Wir haben kein Bayreuth, kein Schiller- und kein Shakespeare-Theater (wie das in Stratford on Avon). Nun, Grillparzer war eben Wiener, und Wien hat viele große Kinder zu betreuen. Und gewiß haben wir das Burgtheater, wo es immer wieder, von Zeit za Zeit, höchst eindrucksvolle Grillparzer-Aufführungen gibt.

Künftig soll Grillparzers Werk auf Burg Forchtenstein in Obhut genommen werden. Man begann im vergangenen Sommer mit der „Ahnfrau", deren adht Aufführungen steigende Frequenz zeigten: Ein Zeichen, daß für ein solches Unternehmen Interesse besteht, obwohl Forchtenstein nur für Motorisierte und mit Autobussen des Österreichischen Verkehrsbüros za erreichen ist. Dafür aber wird der Besucher reichlich entschädigt: Forchtenstein besitzt eine ebenso einfache wie eindrucksvolle Architektur, die der Regisseur dieser Aufführungen, Dr. Otto Ambros, zum „Mitspielen“ gebracht hat. Die 70 Meter breite, in der Höhe wechselnd gestaltbare Bühne lehnt sich an die Burg, deren Mauern und Bastionen in das szenische Geschehen einbezogen werden können. Von der Möglichkeit, die Scheinarchitektur der Bühne mit der Realarchitektur der Burg gegeneinander auszuspielen oder beide miteinander zu verbinden, können der Inszenierung die verschiedenartigsten Anregungen kommen. Hinzu tritt die wirklich bezaubernde Landschaft mit Berg, Hügel und Tal und der weithin aufblauenden Ebene des Burgenlandes.

Natürlich werden an Grillparzer- Festspiele, was die Besetzung betrifft, Ansprüche gestellt, die dem hohen Rang des Dichters entsprechen. Zwar sind Starschauspieler nicht unbedingt erforderlich, aber auf eine würdige Besetzung der Hauptrollen muß größter Wert gelegt werden. Als Komparserie hat sich die einheimische Bevölkerung (ähnlich wie bei den Burgfestspielen in Friesach) bestens bewährt.

Im ersten Jahr hat man, wie bereits erwähnt, die „Ahnfrau“ gespielt, im heurigen Sommer, von Ende Juni bis Ende Juli, wird man „Ein treuer Diener seines Herrn“ geben. Die komplizierten Bühnenbauten und die von der burgenländischen Landesregierung und dem Unterrichtsministerium zur Verfügung gestellten Mittel ermöglichen in jedem Jahr nur die Darbietung jeweils eines einzigen Stückes. — Man kann, so meinen die für die Forchtensteiner Aufführungen künstlerisch Verantwortlichen, alle Dramen Grillparzers hier spielen, mit Ausnahme der Griechenstücke. Aber viel- leidht wird man es später auch mit diesen versuchen. Denn die mächtig aufragende Burgmauer ist der Rückwand des antiken Theaters von Orange nicht so unähnlich

Schon heute kann man sagen, daß die Grillparzer-Aufführungen von Forchtenstein viele, die vielleicht nicht den Weg in eine normale, weniger pittoreske Darbietung in einem Theater finden, auf das Werk des großen österreichischen Dramatikers hinlenken. Sdhön wäre es, wenn Forchtenstein etwa durch dort abzuhaltende Symposien zu einem Kristallisations- punkt nicht nur der Grillparzer-Pflege, sondern auch der Grillparzer-Forschung würde, vor allem auch im Hinblick auf ausländische Teilnehmer. Aber das ist noch Zukunftsmusik

Dafür, daß der künstlerische Rang dieser . Spiele gewahrt und in Zukunft noch verbessert wird, ist in der Person ihres Intendanten, Kammersänger Herbert A1 s e n, die Gewähr gegeben. Der unvergessene große Sänger der Wiener Staatsoper besitzt nicht nur eine reiche Bühnenerfahrung, sondern auch jene heute immer seltener werdende allgemeine Kultur, die für die initiative Leitung und Betreuung eines solchen Unternehmens erforderlich ist.

Daß eine breitere, kunstinteressierte Öffentlichkeit beim Besuch der Forchtensteiner Spiele auf die besonderen Schönheiten des Burgenlandes, dieses Stiefkindes unter den österreichischen Bundesländern, hingewiesen wird, soll noch besonders unterstrichen werden.

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