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Mit Habsburg eng verbunden

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Landesausstellungen können und sollen auch Landesgeschichte aufarbeiten, vielleicht sogar auf dem Boden liebgewonnener Geschichtsvorstellungen aufbauen, etwa auf dem Begriff des Bollwerks.

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Landesausstellungen können und sollen auch Landesgeschichte aufarbeiten, vielleicht sogar auf dem Boden liebgewonnener Geschichtsvorstellungen aufbauen, etwa auf dem Begriff des Bollwerks.

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Landesausstellungen können auch Dinge erhellen, die dem laienhaften Besucher nicht klar sind, und falsch Eingeprägtes richtigstellen, sie können aber auch welthistorische Bezüge aufzeigen. Alles das muß, genau genommen, im Zusammenhang mit der burgenländischen Landesausstellung „Bollwerk Forchtenstein” auf Burg Forchtenstein geschehen. Das Bauwerk - seit Jahrzehnten ein beliebter Ausflugsort für Schulwandertage und noch vor wenigen Jahrzehnten der einzige ständige Spielort Grillparzer-scher Dramen - ist im Bewußtsein vieler Österreicher ohnehin vorhanden, vor allem als Silhouette und dank des wunderbaren Blickes in die Wul-kaebene, der freilich einmalig ist.

Die Geschichte der Burg ist ein Brennspiegel der Geschichte Ostösterreichs und des Burgenlandes. Ihr Schicksal ist jenes des Imperium Sac-rum und ab dem zwölften Jahrhundert des Zentralraums der deutschen Geschichte, aber natürlich in der von der Babenberger- und österreichischen Habsburger-Perspektive geprägten Geschichtsschreibung.

In dieser Weise ist auch der Titel der Ausstellung mit „Bollwerk” zu verstehen, der einerseits als historischer Begriff den Ab-Wehrwillen der hier lebenden Menschen aktivieren möchte, letztlich aber auch impliziert, daß „Horden” aus dem Osten abendländische Kultur, Zivilisation und Christentum gefährdeten. Wie wenig das in dieser Vereinfachung stimmt und wie sehr die Gefährdung des Okzidents häufig auch durch inneren Zwiespalt und einander ausschließende Machtansprüche innerhalb dieses Reiches gegeben war, wird in dieser Ausstellung auch - wenngleich häufig nicht expressis verbis - dargestellt.

Vor 1300 wurde mit dem Bau der Burg Forchtenstein begonnen, deren Name auf das Furchteinflößende des gewaltigen Baues hinweist. Schleifung der Burg Mattersdorf (Matters-burg) und Bau einer neuen Burg im Rosaliengebirge haben kausal etwas mit den ständigen Grenzstreitigkeiten und Machtbestrebungen der Herrscher des Herzogtums Österreichs und Ungarns zu tun, woraus sich auch schon der Mythos der Gefährdung anders liest. Ist doch die Herrschaft Österreichs in dieser Zeit nicht in erster Linie von heidnischen Hunnen und Tartaren bedroht, sondern ein christlicher Nachbar ist der Erbfeind - die

Ungarn sind zur Zeit des Burgbaues längst christianisiert.

Propaganda-Feldzug

Der Hunnenzug fand in der Mitte des 13. Jahrhunderts statt und war bald wieder spukhaft zu Ende. Daß indes solche politische Propaganda auch im benachbarten Wulkabecken auf breite Aufnahme stieß, liegt nicht unerheblich daran, daß schon ab dem 12. Jahrhundert eine deutsche Besiedlung in diesem Raum stattfand.

Bald wird die Geschichte der Burg Forchtenstein eine Geschichte der Familie Esterhäzy, die gewiß in ihrer

Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Der Konnex zu den Habsburgerkaisern - etwa Friedrich III., Ferdinand IL, Maximilian II. und Rudolf II. - ist eklatant und weist darauf hin, daß hier - naturgemäß -nichts regional isoliert gesehen werden darf. Auch die Rolle der Esterhä-zy, ihre exponierte Stellung im Königreich Ungarn und ihre unerschütterliche Treue zum Hause Habsburg sind inzwischen zum Mythos geworden, was unter Umständen eine kritische Untersuchung und eine historisch glaubhafte Darstellung der Dynastie selbst bis zum heutigen Tag behindert hat.

Feudalismus, Habsburgtreue und Gegenreformation kann man, wenn man will, auch ganz anders interpretieren. Etwa im Sinne einer konsequenten Esterhäzyschen Hausmachtpolitik, in deren Zuge es um Gebietsund Machtzuwachs ging, wozu Loyalität und Rekatholisierung von untergebenen Ortschaften ein geeignetes Hilfsmittel waren.

Es entspricht dem Wesen dieser Ausstellung, die kriegerische Geschichte dieses Raumes besonders hervorzukehren. Freilich besitzt Forchtenstein selbst eine Reihe von Exponaten, die aus der Waffenkammer der Burg stammen. Dabei kommen auch Funktionen der Beherrschung des flachen Landes durch die Feudalherren zur Sprache.

Die Türken vor Forchtenstein

Viele Exponate werden geboten zu den Ereignissen des Dreißigjährigen Krieges und Türkenzeit. Das berühmte Türkenzelt von Forchtenstein bildet dabei natürlich die Hauptattraktion. Kaisertreue und Tapferkeit vor dem Feind sind Tugenden, die auch in dieser Schau transportiert werden. Eindrucksvolles Beispiel dieses Heldenmutes ist die Darstellung der Schlacht von Vezekeny (1652), in welcher vier Esterhäzysche Prinzen den Heldentod fanden.

Einen besonderen Schwerpunkt bildet auch die Zeit des Fürsten Paul Esterhäzy (1635- 1713), der die höchste Würde im ungarischen Königreich, die des Palatins, innehatte. Diese Epoche ist,auch bildlich gut dokumentiert. Besonders eindrucksvoll die Gemälde von Kindern des Palatins, von denen viele noch im Kindesalter starben. Mit diesem Herrscher geht die Geschichte bereits in jene Phase, die auch schon allgemeines Bildungsgut geworden ist.

Klarerweise ist schon die Burg für sich ein Exponat ersten Ranges. Die Thematik ist ausreichend ausgeleuchtet und in einem sorgfältigen Katalog wissenschaftlich belegt. Den meisten Besuchern werden Waffen und Kriegsdokumentation jenes Gefühl vermitteln, das auch der Titel suggeriert.

Wer aber über diesen Horizont hinaussehen möchte, stößt an die engen Grenzen unseres abendländisch-mitteleuropäischen Vorstellungsvermögens und kann verstehen, wie schwer es zu allen Zeiten war, nationale, religiöse und standesbedingte Parteilichkeit zu überwinden. Daß das geschehen sollte, scheint mit auch in dieser Ausstellung, wenngleich kryptisch, miteingeplant. Es handelt sich also um eine Ausstellung für reflexionsfreudige und weniger indoktrinierbare Besucher!

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